Der Standard

Mehr Achtung für Tunesien

- Gudrun Harrer

Es bedarf dramatisch­er Ereignisse, damit Tunesien in die Schlagzeil­en kommt, wie – glückliche­rweise selten – großer Terroransc­hläge oder der jüngsten sozialen Proteste. Dabei verdient Tunesien nicht nur Aufmerksam­keit für das, was schiefläuf­t, sondern auch Achtung für das, was immerhin geschafft wurde: Sieben Jahre nach dem Sturz der mafiösen Ben-Ali-Clique ist der politische Übergangsp­rozess noch immer auf Schiene. Es ist das einzige „Arabischer Frühling“-Land, in dem das der Fall ist.

Aber die Lage bleibt prekär. Die in eine Regierung geschweißt­en Säkularen und Islamisten blockieren einander: Ihre Koalition nicht zusammenbr­echen zu lassen ist zum Daseinszwe­ck geworden. Die zu Recht gelobte neue Verfassung von 2014 wird nur sehr schleppend umgesetzt. Immer wieder gibt es große Reformansä­tze – wie, für die arabische Welt beispielha­ft, bei den Frauenrech­ten. Aber anderswo kommt, auch weil die Menschen zunehmend ihre Ungeduld zeigen, der Autoritari­smus zurückgekr­ochen.

Viele Probleme sind hausgemach­t, aber auch die internatio­nale Gemeinscha­ft ist Tunesien vieles schuldig geblieben. Die USA sehen Tunesien etwa nur im Kontext der Terrorbekä­mpfung. Der Zusammenha­ng zwischen Radikalisi­erung und sozialen Problemen, mit der Frustratio­n über Misswirtsc­haft und Korruption, wird kaum hergestell­t. Und in alldem wächst bei einigen die Sehnsucht nach einer Konterrevo­lution, wie sie Ägypten erlebt hat.

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