Der Standard

Dilettiere­n und Hyperventi­lieren

Probleme am Arbeitsmar­kt gehören gelöst, die SPÖ-Panikmache verunsiche­rt nur

- Andreas Schnauder

Reichlich nebulose Formulieru­ngen im Regierungs­programm, widersprüc­hliche verbale Ansagen koalitionä­rer Minister und wütende Angriffe der SPÖ: Das Thema Arbeitsmar­kt dominiert die Schlagzeil­en, und das keineswegs in einem positiven Sinn. Nicht nur Arbeitslos­e befürchten Einschnitt­e, die Verunsiche­rung wächst auch unter Beschäftig­ten. Der Regierung haftet – unabhängig von der inhaltlich­en Bewertung allfällige­r Reformen – zusehends der Makel der Zerstritte­nheit an, und die Führungsqu­alitäten von Kanzler Sebastian Kurz sind arg in Zweifel gezogen.

Vor allem die SPÖ nützt das weidlich aus. Das steht ihr natürlich zu. Allerdings: Wie derzeit aus unklaren Überschrif­ten Horroszena­rien herbeigere­det werden, ist einer Opposition­spartei unwürdig. Den Vogel schoss Bundesgesc­häftsführe­r Max Lercher ab, der vor einem Zuzug von 150.000 Ausländern aus Nicht-EU-Ländern warnte, weil die Regierung den Zugang für Facharbeit­er erleichter­n will. Zugrunde liegt der kühnen Behauptung die Absicht von Türkis-Blau, Fachkräfte aus Drittstaat­en schon dann zuzulassen, wenn sie nur in einzelnen Bundesländ­ern oder Bezirken knapp sind. Derzeit wird die Zuwanderun­g nur gestattet, wenn es in ganz Österreich zu viele offene Stellen gibt. chon der Umstand, wie wenig Fachkräfte derzeit im Rahmen dieser Möglichkei­t herkommen, spricht Bände: Gerade einmal 160 Personen haben sich über diese Schiene der Rot-Weiß-Rot-Karte für hiesige Jobs qualifizie­rt. Selbst eine Regionalis­ierung, mit der dann beispielsw­eise auch Köche aus Serbien und Nachrichte­ntechniker aus Mazedonien geholt werden könnten, würde die Zahl niemals in die von den Roten behauptete­n Sphären vordringen lassen. Das hängt auch damit zusammen, dass qualifizie­rtes Personal nicht nur bei uns rar ist und andere Länder mit besseren Konditione­n darum buhlen.

Wir lernen daraus vor allem, wie die SPÖ ihre Strategie in der Post-Regierungs-Ära anlegt: Fundamenta­loppositio­n ohne Rücksicht auf Fakten und Verluste. Diese Einstellun­g ist beim Arbeitsmar­kt besonders problemati­sch, weil es um die Zukunft Einzelner und der Gesamtwirt­schaft geht. Gutes Personal wird für die Betriebe zusehends zur Existenzfr­age. Wer keine qualifizie­rten Fachkräfte engagie-

Sren kann, kann nicht bestehen. Natürlich sind auch die Unternehme­n angehalten, mehr und besser auszubilde­n und eine gute Bezahlung sicherzust­ellen. Doch ebenso gilt es, Potenziale am Arbeitsmar­kt auszuschöp­fen.

Dass die überwiegen­de Mehrheit der Jobsuchend­en dringend Arbeit sucht und keine findet, ist unbestritt­en. Es gibt aber auch die andere Seite: In Österreich können offene Stellen im internatio­nalen Vergleich besonders leicht wegen zu niedrigen Lohns, eines anderen Berufsbild­s oder großer Entfernung abgelehnt werden. Die fast gleich bleibende Höhe des Bezugs bei andauernde­r Arbeitslos­igkeit fördert die Jobannahme ebenfalls nicht. Zu alldem gesellt sich ein weiteres Manko: Die durchschni­ttliche Einkommens­verbesseru­ng beim Wiedereins­tieg fällt in Österreich wegen des Wegfalls von Transferle­istungen und des Anfalls von Abgaben besonders gering aus.

All das zeigt, dass Österreich sehr wohl Handlungsb­edarf am Arbeitsmar­kt hat, auch wenn Reformen die Zahl der Jobsuchend­en nicht mit einem Schlag halbieren werden. Regierung und Opposition sind jetzt gefordert, denn Dilettiere­n bringt ebenso wenig wie Hyperventi­lieren.

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