KOPF DES TAGES
Gesuchte Anwältin in Pleitezeiten
Die Wahl des Insolvenzverwalters gilt als Schicksalsfrage im Fall des Konkurses. Mit der Anwältin Ulla Reisch legt das für die Pleite der Fluggesellschaft Niki zuständige Gericht die Interessen der Gläubiger in erfahrene Hände.
Heute gilt die 49-Jährige als eine der gefragtesten Masseverwalterinnen des Landes. Die Partnerin der Wiener Anwaltskanzlei Urbanek Lind Schmied Reisch ist auf grenzüberschreitende Fälle spezialisiert und war etwa an den großen Insolvenzen der Handelskette Zielpunkt 2016 oder der Baufirma Alpine 2013 beteiligt.
Der Durchbruch gelang der gebürtigen Wienerin mit der Betreuung des insolventen oberösterreichischen Kinderschuhherstellers Richter im Jahr 2009. Der Aufstieg in einer Männerdomäne war für Reisch, die 1995 ihre Rechtsanwaltsprüfung absolvierte, aber nicht immer leicht. In Zeiten, als Insolvenzrichter mit Anwälten und leitenden Mitarbeitern des Kreditschutzverbands im Hobbyverein FC Insolvenz wöchentlich auf dem Rasen standen, war das in dem Umfeld so wichtige Netzwerken für die rund 20 Prozent weiblichen Anwälte nicht ganz einfach. 2002 gründete die Absolventin eines Mädchengymnasiums quasi als Pendant zum Kickerverein ihrer männlichen Kollegen zusammen mit Alexandra Gürtler, Tochter der Hotel-Sacher-Chefin Elisabeth Gürtler, und der Rechtsanwältin Beate Sumper ein eigenes Netzwerk für Frauen in Führungspositionen. Allerdings ohne anhaltenden Erfolg: Die Plattform wurde wieder eingestellt. Fehlte dem Vorhaben der begeisterten Läuferin und Tennisspielerin etwa das verbindende Element eines Teamsports? Eher nicht: Die Aktion sei bei den „Herren“auf wenig Gegenliebe gestoßen, wie die Anwältin später resümierte.
Ulla Reischs Aufstieg im lukrativen Geschäft der Masseverwaltung tat das keinen Abbruch: 2016 wurde die Juristin von rund 100 befragten Kanzleien im Trend- Anwaltsranking als erste Frau in die Top Ten gewählt.
Ihre Expertise in Insolvenz- und Sanierungsrecht vermittelt die Anwältin auch an der Wirtschaftsuniversität Wien. Unter Studenten sind die Lehrveranstaltungen beliebt, zumindest auch deswegen, weil Reisch nicht als die strengste aller Prüferinnen gilt. Eine Reputation, die sich auf die Uni beschränkt. Wenn die verheiratete Mutter von vier Kindern nicht gerade Pleitefirmen abwickelt, achtet Reisch in ihrem Garten darauf, dass nichts eingeht.