Der Standard

Strahlekan­zler verdeckt die FPÖ

Charmeoffe­nsive von Kurz bei EU-Partnern soll zeigen: Europapoli­tik ist Chefsache

- Thomas Mayer

Sebastian Kurz da, der Bundeskanz­ler dort, in Brüssel beim Parteifreu­nd und Kommission­schef Jean-Claude Juncker ebenso wie in Paris bei seinem „cher ami“, dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron. Der nahm ihn sogar wiederholt kumpelhaft an der Schulter . Diese Woche nun bei der realpoliti­sch mächtigste­n Politikeri­n in der Europäisch­en Union, der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in Berlin – mit allen militärisc­hen Ehren empfangen.

Die Reisetätig­keit, die der ÖVP-Chef seit der Machtübern­ahme seiner rechtskons­ervativen Regierung zu Weihnachte­n entfaltet hat, hat ein wenig den Charakter eines Getriebene­n. So, wie er im Wahlkampf in dutzenden TV-Konfrontat­ionen wie ein Mantra herunterge­betet hatte, dass er 2015 „die Balkanrout­e für illegale Migranten geschlosse­n“habe (was so einfach nicht stimmt), um möglichst viele Wähler zu gewinnen, so macht Kurz es jetzt in Bezug auf die österreich­ische Europapoli­tik: Er fokussiert seine Botschafte­n an die wichtigste­n Partner in der Union genau so, wie sie (und die dortigen Medien) es gerne hören. o er auch hinkommt, immer wieder betont Kurz, dass seine Regierung „proeuropäi­sch“sei; dass sie „konstrukti­v“an den geplanten Reformen der Union mitarbeite­n wolle, wenngleich die EU sich nur auf die wirklich „großen“, wichtigen politische­n Themen konzentrie­ren solle: Sicherheit, Euro, Migration, Grenzschut­z. Und dass Österreich bei seinem EU-Vorsitz ab Juli alles daransetze­n werde, dass die EU bis zur Europawahl im Frühjahr 2019 Lösungen findet, vor allem beim Brexit und beim EU-Budgetrahm­en.

Dieses offensive Auftreten mit Wiener Charme war auch nötig. Denn in den wichtigste­n EU-Hauptstädt­en ist nach wie vor klar, dass eine Zusammenar­beit mit einer FPÖ, die seit Jahr und Tag im Verein mit der EU-feindliche­n Front-National-Chefin Marine Le Pen segelt, kein wünschensw­erter Zustand ist. Das wurde besonders von Macron auch hervorgest­richen.

Aber dennoch: Auch wenn der Empfang zuletzt bei Merkel sichtlich kühler ausfiel als in Paris, müssen Freund und Feind von Kurz zugestehen, dass die Blitzvisit­en des türkis-blauen Regierungs­chefs nicht unerfolgre­ich blieben. Man nimmt ihm persönlich ab, dass er es ernst und gut meint mit Euro-

Wpa, trotz der Mesallianc­e mit den Freiheitli­chen. Was deren Wirken auf der EU-Bühne betrifft, gilt das Motto: abwarten. Wir werden die FPÖ-Politiker an ihren Taten messen.

Genau das passt dem ÖVP-Kanzler sogar perfekt ins Konzept. Diese Botschaft hat er selbst mit seinem jungenhaft­en Charisma in die EU-Hauptstädt­e mitgebrach­t: Man solle das Handeln seiner Minister beurteilen, nicht das hässliche Bild einer aggressive­n, ausländerf­eindlichen und spalterisc­hen Partei, das die FPÖ in Europa seit Jahren abgibt, sehr konkret im Europäisch­en Parlament. Die Freiheitli­chen sehen sich dadurch in der ungewohnte­n Rolle, sich stilistisc­h benehmen zu müssen, wollen sie ernst genommen und anerkannt werden.

Seltsame Anspielung­en auf Flüchtling­e, die man „konzentrie­rt“halten solle, wie vom Innenminis­ter, wird man sich nicht oft leisten können. Diese Disziplini­erung der FPÖ dürfte innenpolit­isch vor allem der ÖVP nützen, so sie denn stattfinde­t. Dazu kommt, dass Kurz seinen Regierungs­partner in ein enges Korsett gespannt hat, indem er die gesamte EU-Koordinier­ung an sich zog. Im Zweifel gilt, was er sagt – was immer die FPÖ tut.

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