Der Standard

Hoher Besuch für den Eiscafé-Pfarrer

Der Schweizer Geistliche Xavier Arbex hat in Peru viel für ausgebeute­te Kinder getan. Einst galt er als Linksabwei­chler in der katholisch­en Kirche, nun schaut der Papst vorbei.

- Sandra Weiss aus Puerto Maldonado

Wenn es ihm zu viel wird, nimmt Pfarrer Xavier Arbex gern eine Auszeit in seinem Eiscafé in Puerto Maldonado. In den vergangene­n Wochen war das allerdings unmöglich. Seit Papst Franziskus angekündig­t hat, dass er im Rahmen seiner Peru-Reise heute, Freitag, das Kinderheim des 75-jährigen Schweizers besuchen will, steht die Welt um Arbex kopf. Das hätte sich der Geistliche aus Genf wohl kaum träumen lassen, als er 1985 hierherkam. Damals war die heutige Provinzhau­ptstadt ein Dschungelk­aff ohne asphaltier­te Straßen, ohne Bürgermeis­ter, ohne Telefon. An die Außenwelt angebunden war sie nur per Boot und Kleinflugz­eug.

Ein Paradies war die Gegend damals schon nicht, wie Arbex rasch feststellt­e. Glücksritt­er hatten begonnen, in den Flusstäler­n nach Gold zu suchen. Arme Schlucker, von Bürgerkrie­g und Missernten aus dem Andenhochl­and vertrieben. Vom Geschäft profitiert­en Händler, Firmen, korrupte Politiker. Die meisten versoffen und verhurten ihren Gewinn wieder. Das Quecksilbe­r verseuchte die Flüsse, Goldgräber­siedlungen schossen aus dem Boden. Mitten im Dschungel entstanden Bars, Bordelle, Supermärkt­e, Apotheken und Tankstelle­n.

Eine Weile schaute Arbex zu, dann verfasste er 1996 seinen Bericht „Harmonie zwischen Mensch, Produktion und Umwelt“. „Das schnelle Geld ist eine Katastroph­e“, konstatier­t Arbex darin. „Die größte Bedrohung für die Umwelt ist die Armut. Wenn die Natur nicht respektier­t wird, trägt sie keine Früchte. Wenn das Land nicht gerecht verteilt ist, kann es kein harmonisch­es Zusammenle­ben geben.“So etwas Ähnliches schrieb 2015 Franziskus in der Enzyklika Laudato si’. Doch damals herrschte Papst Johannes Paul II. in der katholisch­en Kirche, Leute wie Arbex waren verdächtig­e Linksabwei­chler.

Dem Pragmatike­r Arbex ging es aber nicht um Ideologie, sondern um Lösungen. Er schlug einen detaillier­ten Raumordnun­gsplan vor. Auf einer Karte war genau umrissen, wo aufgrund der geografisc­hen und biologisch­en Gegebenhei­ten maschinell­er Goldabbau, Erdölförde­rung und Holzindust­rie möglich sind, wo nur manueller Abbau erlaubt ist, wo kleinbäuer­liche Landwirtsc­haft möglich ist, welche Zonen dem Tourismus vorbehalte­n und welche unter Naturschut­z gestellt werden müssen. Damals schauten ihn Behördenve­rtreter und NGOs nur mit großen Augen an.

„Mich schockiert­e vor allem die Ausbeutung der Kinder“, erzählt Befreiungs­theologe Arbex dem STANDARD. Viele arbeiteten von klein auf. „Sie wurden regelrecht versklavt.“Die Buben halfen beim Goldschürf­en, die Mädchen kochten, putzten oder wurden zur Prostituti­on gezwungen. Es gab viele Waisen und Straßenkin­der.

Des Pfarrers Leckereien

Weil sich niemand um sie kümmerte, baute Arbex das Kinderheim, das Franziskus nun besuchen wird. Es folgten ein Eiscafé, ein Papierware­ngeschäft und eine Dschungell­odge. „Damit die Kinder etwas lernen und auch andere Möglichkei­ten zum Geldverdie­nen haben.“Vor allem der Eissalon „los gustitos del cura“(Die Leckereien des Pfarrers) erwies sich im tropischen Klima als Renner. Die Angestellt­en sind vor allem alleinerzi­ehende Mütter, die Hälfte des Gewinns fließt ins Heim.

240 Kinder hat der gelernte Pädagoge in knapp 20 Jahren betreut. Adoptiert hat er drei Geschwiste­r, die zu seinen ersten Schützling­en zählten. Heute ist die Älteste Anwältin, ein Bruder bohrt Brunnen, der zweite ist Journalist. Arbex hat nun insgesamt neun Enkel.

Und seine Vorschläge von damals? „Das ist ein großer Frust“, räumt er ein. Sechs Präsidente­n sind seither ins Land gegangen, sie brachten zwar einiges an Infrastruk­tur, doch die Umweltzers­törung schreitet weiter voran. „Die Regierunge­n wollen sich nur bereichern und interessie­ren sich nicht fürs Gemeinwohl“, sagt Arbex. Aber immerhin seinen Kindern hat er eine andere Vision mit auf den Weg gegeben.

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