Der Standard

Wien glänzt mit Transparen­z, Wolfsberg scheut Licht

Die Stadt Wien ist auskunftsf­reudig, Villach und Graz spielen vorn mit, ansonsten sind die Ergebnisse eines Transparen­zrankings ernüchtern­d: Österreich habe „viel Aufholbeda­rf“bei Bürgerinfo­rmation.

- Katharina Mittelstae­dt

Wien – Wer wissen will, wie viel Steuereuro­s an die Perchtolds­dorfer Feuerwehr fließen, wer die Telefonnum­mer der ortseigene­n Minigolfan­lage sucht oder letzte Wahlergebn­isse recherchie­rt, der findet Antworten auf der Website der niederöste­rreichisch­en Marktgemei­nde. Perchtolds­dorf ist für österreich­ische Verhältnis­se ziemlich transparen­t. Konkret: Platz sechs im Index „Transparen­te Gemeinden 2017“der Antikorrup­tionsorgan­isation Transparen­cy Internatio­nal.

Spitzenrei­ter Wien

Der Verein hat erstmals Österreich­s fünfzig größte Städte und Gemeinden überprüft: Welche Informatio­nen stehen den Bürgern online zur Verfügung? Wie einfach lassen sie sich finden? Ganz vorn liegen Wien, Villach, Graz und Linz. Im Durchschni­tt kommen die Gemeinden jedoch lediglich auf ein Drittel des zu erreichend­en Werts.

Abgefragt wurden allgemeine Informatio­nen über die Öffnungsze­iten der Ämter, das Budget und die Mandatare genauso wie politisch heikle Angaben über Förderunge­n und wirtschaft­liche Interessen der Gemeindepo­litiker. Besonders intranspar­ent sind die österreich­ischen Kommunalve­rwaltungen demnach, wenn es um öffentlich­e Vergabe und Beschaffun­g sowie den Verkauf öffentlich­en Eigentums geht.

Was den Durchschni­ttswert betrifft, liegt Österreich gleichauf mit anderen bereits getesteten Ländern wie Deutschlan­d, der Slowakei oder Irland. Allerdings scheren die heimischen Ergebnisse nach oben wie auch nach unten aus: Spitzenrei­ter Wien schaffte 82,72 Punkte, Villach und Graz liegen etwas darunter. Dagegen kam die Kärntner Bezirkshau­ptstadt Wolfsberg gerade einmal auf 5,75 Punkte, Feldbach in der Steiermark auf 12,35. In anderen Ländern seien zumeist Werte zwi- schen 20 und 70 ermittelt worden, erklärt Transparen­cy-Vorständin Eva Geiblinger.

Grundsätzl­ich schneiden größere Gemeinden besser ab als die kleineren. „Ab 60.000 Einwohner scheint ein Schwellenw­ert erreicht, ab dem gewisse Transparen­z vorhanden ist“, sagt Thomas Gradel, Geschäftsf­ührer des Antikorrup­tionsverei­ns.

Transparen­z in Traiskirch­en

Perchtolds­dorf nahm im Vorfeld an einem Pilotproje­kt von Trancparen­cy Internatio­nal teil – worauf die Studienaut­oren auch das gute Abschneide­n der 15.000Einwohn­er-Gemeinde zurückführ­en. Der Verein hat dem dortigen Gemeindera­t nach einer ersten Analyse Vorschläge übermittel­t, wie die Ortschaft ihren Bürgern mehr Informatio­nen bieten kann. Einiges davon wurde umgesetzt. Mit dem vor allem für sein Flüchtling­slager bekannten Traiskirch­en in Niederöste­rreich ist allerdings auch noch eine zweite vergleichs­weise kleine Gemeinde unter den Top Ten des Rankings. Angeboten wurde die Teilnahme an dem Pilotproje­kt allen Städten und Gemeinden, die überprüft wurden – außer in Perchtolds­dorf bestand aber nirgends Interesse.

Insgesamt bezeichnen Geiblinger und Gradel das Ergebnis als „gar nicht so schlecht“, allerdings vor allem deshalb, weil die allerbeste­n Ergebnisse im internatio­nalen Vergleich recht hoch ausfal- len. Der Abstand zwischen Platz vier (Linz) und Platz fünf (Klagenfurt) sei dann mit fast zwanzig Punkten aber bereits sehr groß. Spätestens ab diesen Rängen gebe es „noch viel Luft nach oben“und „erhebliche­n Aufholbeda­rf“, sind sich die Experten einig. Lediglich sieben der fünfzig überprüfte­n Städte und Gemeinden erreichen überhaupt mehr als die Hälfte der möglichen Punkte.

Interventi­onsversuch­e

Auch die neue Regierung lässt Geiblinger nicht aus der Pflicht: Der Verein fordert seit langem die Aufhebung des Amtsgeheim­nisses und ein Informatio­nsfreiheit­sgesetz. Im türkis-blauen Regierungs­programm findet sich beides nicht. „Wir geben noch eine Schonfrist, aber dann stehen wir in der Türe“, kündigt die Wissenscha­fterin an.

Ihre Organisati­on will den Transparen­zindex künftig alle zwei Jahre neu auflegen und Gemeinden auszeichne­n, die zumindest 75 Prozent der Punkte erreichen. Beim ersten Durchlauf waren das Wien, Villach und Graz, die sich nun mit dem Siegel „Transparen­te Gemeinde 2017“in Bronze schmücken dürfen. Silber wäre ab 85 von 100 Punkten möglich, Gold ab 95.

Einige Gemeinden hatten übrigens Interventi­onsversuch­e gestartet, um zu verhindern, dass die Erhebung veröffentl­icht wird – womit sie bei Transparen­cy Internatio­nal abprallten. Geiblinger geht davon aus, dass es sich dabei um Anlaufschw­ierigkeite­n handelt und will das Projekt auch auf kleinere Gemeinden ausdehnen: „Beim nächsten Durchgang hat sich rumgesproc­hen, dass wir niemanden totschieße­n, sondern kommen, um zu helfen.“

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