Der Standard

Menschlich­e Größe im Kleinforma­t

In „Downsizing“lässt der US-Filmemache­r Alexander Payne seinen Star Matt Damon auf Miniaturgr­öße schrumpfen. Eine Science-FictionKom­ödie mit ernsten Untertönen, sozialpoli­tischer Agenda und erdigem Charme.

- Michael Pekler

Wien – Es könnte alles um so viel einfacher sein. Nicht nur dann, wenn der Kredit, so man überhaupt noch einen bekommen hat, schon abbezahlt wäre, man auf eine Pension hoffen könnte und sich nicht jeden Tag genötigt sähe, der Nachwelt keinen allzu großen ökologisch­en Fußabdruck zu hinterlass­en. Da wundert es einen beinahe, dass die Kleinen groß und die Alten wieder jung sein wollen. Geht es einem in den angeblich besten Jahren doch längst vielmehr so wie Paul Safranek (Matt Damon). Der könnte zwar mit seiner Frau Audrey (Kristen Wiig) ein zufriedene­s Mittelstan­dsdasein führen. Er hat aber ein seinem wenig nachhaltig­en Lebensstil geschuldet­es schlechtes Gewissen.

In Alexander Paynes Downsizing gibt es zumindest für den Orthopäden aus Omaha eine Lösung: ein von skandinavi­schen Wissenscha­ftern entwickelt­es Verfahren verspricht eine „zellulare Miniaturis­ierung“und damit ein neues Leben in einer schönen, neuen Welt. Und dieses bereits verheißung­svoll beworbene Leisurelan­d, das nicht nur aussieht wie ein Miniaturpa­rk, sucht nach neuen Bewohnern. Für den Durchschni­ttsamerika­ner Safranek mithin jener amerikanis­che Traum, der sich in seinem bisherigen Leben nicht mehr erfüllen lassen wird.

Nun ist Alexander Payne, gewitzter Autor und Regisseur von Tragikomöd­ien wie About Schmidt und Sideways, natürlich nicht der Erste, der die Fantasie des Einschrump­fens im US-Kino befeuert. Doch im Gegensatz zum Scifi-Klassiker The Incredible Shrinking Man, der in Zeiten des Kalten Krieges die Ängste vor der Nuklearkat­astrophe auslebte, interessie­rt sich Payne für eine völlig andere horrible Gefahr, die dem kleinen Menschen droht – jene der Selbstopti­mierung.

Auf dem Präsentier­teller

Und dieser Horror beginnt bereits bei den Vorbereitu­ngen: Payne inszeniert den Schrumpfpr­ozess als einen der Entmenschl­ichung, bei dem es beim anatomisch­en Detail zur Sache geht: Nach Plombenent­fernung, Kahlrasur und Darmentlee­rung liegen die dreizehn Zentimeter großen Menschenpu­ppen wie Elendshäuf­chen auf dem Präsentier­teller. Und der sarkastisc­he Blick von Payne und seinem langjährig­en Koautor Jim Taylor findet seine Fortsetzun­g in der Architektu­r der Miniaturwe­lt, in der Safranek landet: Riesenräde­r, putzige Traumhäuse­r und aufgeräumt­e Straßen, dazwischen venezianis­che Kanäle und Kuppeln.

Hier kann sich endlich jeder alles leisten, weil es keine teuren Kleinigkei­ten gibt. Nur das die kleinen Menschen vor Vögeln und Insekten schützende Netz macht die Parallelwe­lt auf den ersten Blick zum Gefängnis.

In diesem ersten Teil entwickelt Downsizing vor allem deshalb seine stärkste Kraft und besten Momente, weil er den allzu menschlich­en Motiven, denen die Bewohner von Leisurelan­d nachgegebe­n haben, die bittere Komik der späten Erkenntnis einschreib­t. Wie in der Social-Media-Blase führt der Verlust des Kontakts zur Außenwelt zu Selbstbest­ätigung und verzerrter Selbstwahr­nehmung. – Das wahre Problem ist, wie Payne zeigt, indes ein anderes: Wie findet man wieder zu sich zurück?

Denn der Alltag holt die Träume ein – und er erweist sich im utopischen Amerika spätestens im Callcenter und beim ersten öden Date als um nichts spannender als in Wirklichke­it. An diesem Punkt – und mit dem Auftritt des ebenfalls geschrumpf­ten Christoph Waltz, der es als serbischer Hehler zum Schwarzmar­ktmillionä­r gebracht hat – ändert Downsizing abrupt die Tonlage: Safranek wird zum Grenzgänge­r der anderen Art, der durch die vietnamesi­sche Putzfrau Ngoc Lan (Hong Chau) auf den Boden der Realität zurückgeho­lt wird.

Dass Downsizing seine vielen Themenfeld­er – Pseudowiss­enschaft und Sektierert­um, Migration und Ausgrenzun­g, Ökologie, kollektive Armut und individuel­le Vereinsamu­ng – in dramaturgi­sche Nöte bringt, nimmt man gern in Kauf. Denn Payne bleibt bei aller skurriler Fantastere­i dem erdigen Charme seiner Figuren treu. Am Ende weiß man: Der Weg zu einem neuen Humanismus bedarf einer Umkehr. Jetzt im Kino

 ??  ?? Kommt uns doch mal besuchen, wenn ihr so ausseht wie wir! Die Nachbarn von Audrey (Kristen Wiig) und Paul (Matt Damon) sind ihrem neuen Leben als Miniaturau­sgaben gewachsen.
Kommt uns doch mal besuchen, wenn ihr so ausseht wie wir! Die Nachbarn von Audrey (Kristen Wiig) und Paul (Matt Damon) sind ihrem neuen Leben als Miniaturau­sgaben gewachsen.

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