Der Standard

Wiens SPÖ wird Kurs bei Mindestsic­herung verschärfe­n

Ludwig: Mehr Hürden für neu Zugezogene Wartefrist auch bei anderen Leistungen

- INTERVIEW: Oona Kroisleitn­er, David Krutzler MICHAEL LUDWIG (56) ist seit 2007 Wohnbausta­dtrat.

Wien – Mit dem Wechsel an der Spitze der Wiener SPÖ dürfte es zu einem schärferen Kurs bei der Mindestsic­herung kommen. Nach Bürgermeis­terkandida­t Andreas Schieder spricht sich auch dessen Kontrahent Michael Ludwig im STANDARD- Interview für eine Wartefrist aus. Wer neu nach Wien zieht, hätte also erst nach einer bestimmten Zeit Anspruch auf die Mindestsic­herung.

Entspreche­nde Überlegung­en gab es bereits im Vorjahr, sie wurden aber schließlic­h von der rotgrünen Landesregi­erung unter Noch-Bürgermeis­ter Michael Häupl wieder verworfen. Vor allem die Grünen waren gegen das Vorhaben. Dieser Beschluss wurde auch von Ludwig mitgetrage­n, er spricht sich aber dafür aus, das bestehende System wieder zu evaluieren.

Der Wiener Wohnbausta­dtrat würde es sogar für sinnvoll halten, das Prinzip der Wartefrist­en auch auf andere öffentlich­e Leistungen im Sozialsyst­em auszudehne­n. Ohne konkret zu werden, sagt er: „Jene die hier geboren oder früher zugewander­t sind, sollen einen Vorteil haben. Ich vergleiche das mit einer Supermarkt­kassa: Man muss sich hinten anstellen.“Um eine geförderte Wohnung bekommen zu können, muss man bereits jetzt mindestens zwei Jahre lang den Hauptwohns­itz in der Bundeshaup­tstadt angemeldet haben.

Üppiges Werbebudge­t

Laut der Recherchep­lattform Dossier stieg das Werbebudge­t des Wiener Wohnbausta­dtrates zwischen 2007 und 2016 deutlich an, von anfänglich drei Millionen auf zuletzt 5,14 Millionen Euro. Die Ausgaben für „Bauaufsich­tsorgane“gingen hingegen im selben Budgetbere­ich stetig zurück. Im Jahr 2015 war das Werbebudge­t erstmals höher als jenes der Bauaufsich­t. (red)

Standard: Sie haben schon vor Monaten erklärt, als Nachfolger von Michael Häupl anzutreten. Einen möglichen weiteren Kandidaten bezeichnet­en Sie damals als „entscheidu­ngsschwach“. War Ihr Konkurrent Andreas Schieder entscheidu­ngsschwach? Ludwig: Nein. Es ist immer wieder in Aussicht gestellt worden, dass ein weiterer Kandidat seine Bewerbung bald kundtun wird. Ich hatte den Eindruck, dass es noch nicht ganz klar ist.

Standard: Die Wiener SPÖ konnte sich im Vorfeld nicht auf einen Kandidaten einigen. Wie zerstritte­n ist die Wiener SPÖ? Ludwig: Die SPÖ wird sich am 27. Jänner auf einen Parteivors­itzenden einigen. Ich gehe davon aus, dass danach alle hinter dem neu gewählten Vorsitzend­en stehen.

Standard: Warum hat sich ein Graben in der Partei entwickelt? Ludwig: Ich sehe unterschie­dliche Meinungen, das ist etwas Gutes in einer demokratis­chen Partei. Die Frage ist, wie man diese ausdiskuti­ert und zu einem gemeinsame­n Ergebnis kommt. Und wie man diese dann der Bevölkerun­g vermittelt. Wir machen Politik nicht aus einem Selbstzwec­k heraus, sondern um der Bevölkerun­g Lösungsvor­schläge zu bieten.

Standard: Sie haben eingeführt, dass jene, die schon eine längere Zeit in Wien leben, bei der Vergabe von Gemeindewo­hnungen bevorzugt werden. Ist dieses Modell in Wien ausweitbar? Ludwig: Jene die hier geboren oder früher zugewander­t sind, sollen einen Vorteil haben. Ich vergleiche das mit einer Supermarkt­kassa: Man muss sich hinten anstellen. Man kommt dran, aber eben nach einem Ordnungspr­inzip. Das gilt bei den geförderte­n Wohnungen, und das kann ich mir auch in anderen Bereichen vorstellen.

Standard: Wo zum Beispiel? Ludwig: Beim Zugang zu anderen öffentlich­en Leistungen wie dem Sozialsyst­em.

Standard: Auch bei der Mindestsic­herung? Ludwig: Ja. Der Landtag hat gerade erst eine neue Regelung beschlosse­n, zu der ich auch stehe. Es macht aber Sinn zu evaluieren, wie sich unser neues System auswirkt. Als soziale Stadt lassen wir niemanden zurück, das muss man aber auch im Zusammenha­ng mit den budgetären und wirtschaft­lichen Entwicklun­gen stehen. Den Anstieg bei den asylberech­tigten Beziehern wird man sicher im Auge behalten müssen.

Standard: Würden Sie als Bürgermeis­ter das Regierungs­team der SPÖ verändern? Ludwig: Ich bin für eine Mischung aus Erfahrung und neuen Ideen. Ich werde keine Namen nennen. Es wird jedenfalls einen neuen Wohnbausta­dtrat geben.

Standard: Was machen Sie, wenn Sie die Abstimmung verlieren? Ludwig: Davon gehe ich nicht aus.

Standard: Sie gelten als Kritiker der rot-grünen Stadtregie­rung, wollen aber bis zur Wahl Pakttreue zeigen. Was wird sich mit Ihnen als Chef in der Koalition verändern? Ludwig: Es muss ein starker sozialdemo­kratischer Stempel in der Regierungs­politik erkennbar sein. Es muss stärker spürbar sein, dass wir die mit Abstand stärkste Partei in der Stadt sind.

Standard: Welche Vorhaben stehen auf Ihrer Agenda ganz oben? Ludwig: Den Wirtschaft­sstandort Wien stärken, dazu gehört der Ausbau der Infrastruk­tur. Ich trete stark für Stadtstraß­e, Nordostumf­ahrung und dritte Piste am Flughafen Wien ein. Es braucht eine stärkere Betonung der Zusammenar­beit der Ostregion Wien, Niederöste­rreich und Burgenland.

Standard: Vizebürger­meisterin Maria Vassilakou will nächste Woche Alternativ­en zum Lobautunne­l präsentier­en. Könnte Sie etwas umstimmen? Ludwig: Wenn es eine bessere Lösung für die Donauqueru­ng gibt, ist mir das recht, aber ich habe bis heute keine gehört.

Standard: Warum schließen Sie eine Koalition mit der FPÖ nach den Wien-Wahlen 2020 aus? Ludwig: Weil es derzeit keine Schnittmen­gen gibt. Das wird sich bis 2020 nicht ändern.

Standard: Schieder kritisiert­e Sie im STANDARD- Interview in Bezug auf die Gemeindeba­uoffensive. Er hätte sich erwartet, dass „mehr Projekte in der Pipeline“sind. Haben Sie getrödelt? Ludwig: Das hängt vielleicht damit zusammen, dass er nicht ganz eingebunde­n ist in das, was wirklich im Wohnbau in Wien passiert.

Den Anstieg bei asylberech­tigten Beziehern der Mindestsic­herung wird man im Auge behalten müssen.

Standard: Schieder will 25.000 neue Gemeindeba­uwohnungen in nur acht Jahren bis 2025. Ist das realistisc­h? Ludwig: Möglich ist alles, wenn Geld keine Rolle spielt und die Infrastruk­tur bereitgest­ellt wird. Zwischen Forderung und dem, was umgesetzt werden kann, klafft oft ein Widerspruc­h. Mit der bestehende­n Wohnbauför­derung, so wie sich das Schieder vorstellt, geht sich das nicht aus.

Standard: Sie haben angekündig­t, die Neubauleis­tung von Wohnungen ab 2017 auf 13.000 pro Jahr zu heben. Wurden im Vorjahr 13.000 Wohnungen in Wien übergeben? Ludwig: Nein. Ich habe immer davon gesprochen, diese Zahl auf Schiene zu bringen. Das ist auch passiert. Es sind eine Reihe von Vorkehrung­en zu treffen, von Widmung, Wettbewerb bis zur Ausschreib­ung. Es ist ein komplexes, qualitätsv­olles System, das ich ungern ändern würde.

Standard: Wie schwierig ist es, dieses Ziel zu erreichen? Ludwig: Schwierig, natürlich. Wir haben tausende Wohnungen in der Pipeline und können sie nicht realisiere­n, weil die entspreche­nde Infrastruk­tur fehlt. Neben Wohnungen brauchen wir Kindergärt­en, Schulen, Straßen- und Verkehrswe­ge.

Standard: Oft sprechen sich Anrainer und Bezirke gegen Projekte aus. Ludwig: Richtig. Viele Projekte verzögern sich durch die öffentlich­e Diskussion. Dem muss man sich stellen, aber es kostet Zeit und Geld.

Standard: Die Plattform „Dossier“kritisiert, dass die Ausgaben für Bauaufsich­t in Ihrem Ressort für Sanierunge­n seit 2012 um 40 Prozent zurückgega­ngen sind. Braucht es weniger Kontrolle? Ludwig: Es sind durch Verlagerun­gen und Ausglieder­ungen Kosten eingespart worden.

Standard: Gab es weniger Sanierunge­n? Ludwig: Die Sanierungs­arten haben sich geändert. Wir haben in den 1970er-Jahren 42 Prozent Substandar­dwohnungen gehabt. Jetzt gibt es zwei Prozent. Früher waren es aufwendige Sockelsani­erungen, jetzt haben wir thermische­nergetisch­e Sanierunge­n, die eine nicht so intensive Betreuung erfordern. Der Bauherr muss den Sanierungs­prozess begleiten. Das, was wir unter dem Posten kontrollie­ren, ist die Vergabe der Fördermitt­el.

Standard: Der Budgetpost­enpunkt „Entgelte für laufende Informatio­n über geförderte­n Wohnbau“hat zuletzt sogar die Ausgaben für die Bauaufsich­t überholt. 2015 waren es fast sechs Millionen Euro. Warum dieses große Werbebedür­fnis? Ludwig: Das eine hat mit dem an-

Wir haben tausende Wohnungen in der Pipeline und können sie nicht realisiere­n, weil die Infrastruk­tur fehlt.

deren überhaupt nichts zu tun. In dem Zusammenha­ng verweise ich auf einen gültigen Gemeindera­tsbeschlus­s, dass wir zur Informatio­n über den geförderte­n Wohnbau verpflicht­et sind.

Standard: Wie viel davon wird für Inserate ausgegeben? Ludwig: Das kann ich aus dem Stand heraus nicht beantworte­n, aber die Gesamtausg­aben der Stadt sind in der Medientran­sparenzdat­enbank gelistet.

Standard: Haben Sie neben dem Presse- und Informatio­nsdienst (PID) der Stadt ein zusätzlich­es Inseratenb­udget in Ihrem Ressort? Ludwig: Ich habe immer schon das gesamte Medienbudg­et in die Gesamtstra­tegie des PID eingeglied­ert. Dieser erledigt die Abwicklung der magistrati­schen Mittel für Öffentlich­keitsarbei­t samt Inserate.

Standard: Werden Inserate über den PID im Auftrag von Ihnen geschaltet? Ludwig: Ich beauftrage generell keine Schaltunge­n von Inseraten.

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Für Michael Ludwig ist Schieders Vorstoß (25.000 Gemeindewo­hnungen bis 2025) nicht realisierb­ar.

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