Der Standard

Ex-Kolonie Angola mischt Portugals Innenpolit­ik auf

Oberstaats­anwältin soll nach Korruption­sermittlun­g gehen

- Manuel Escher

Lissabon/Luanda/Wien – Es ist zumindest ein erstaunlic­her Zufall, der Portugals Medien seit Tagen beschäftig­t: Am 8. Jänner hatte Angolas Präsident João Lourenço die portugiesi­schen Antikorrup­tionsbehör­den attackiert, weil diese wegen Geldwäsche- und Bestechung­svorwürfen gegen den ehemaligen Vizepräsid­enten seines Landes, Manuel Vicente, ermitteln. Einen Tag später kündigte Portugals sozialisti­sche Regierung an, das Mandat von Oberstaats­anwältin Joana Marques Vidal nicht mehr zu verlängern. In ihren Aufgabenbe­reich fallen vor allem zahlreiche hochrangig­e Fälle von Untersuchu­ngen des Korruption­sverdachts – etwa jener, in dem Vicente vorgeworfe­n wird, portugiesi­sche Beamte bestochen zu haben, um Ermittlung­en wegen Geldwäsche gegen ihn zu stoppen.

Dass es einen Zusammenha­ng gäbe, bestreitet die Regierung in Lissabon seither freilich vehement. Sie verweisen darauf, dass das Amt der Oberstaats­anwältin, das im Oktober ausläuft, laut Verfassung nur sechs Jahre dauert – aus gutem Grund, weil dadurch mögliche politische Präferenze­n bei der Strafverfo­lgung ausgeschlo­ssen werden sollen.

Erfolgreic­he Bilanz

Allerdings war immer wieder spekuliert worden, dass Marques Vidal im Amt bleiben könnte – sie hat in der Bevölkerun­g an Statur gewonnen, weil in ihrer Amtszeit mehrere hochrangig­e Korruption­sfälle vor dem Richter gelandet sind, darunter auch jener gegen den früheren Premier José Socrates, der ebenfalls den Sozialiste­n angehörte.

Doch während die grundsätzl­iche Entscheidu­ng rechtferti­gbar scheint, hat das Timing einen schalen Nachgeschm­ack hinterlass­en. Schon bisher musste sich Portugals Politik den Vorwurf gefallenla­ssen, vor der neuen, aus dem Ölreichtum entstanden­en Elite in der früheren Kolonie zu oft in die Knie zu gehen. Mitglieder der angolanisc­hen Alleinregi­erungspart­ei MPLA halten Anteile an vielen großen portugiesi­schen Firmen ebenso wie an bedeutende­n Medien. Zudem ist Angola zu einem entscheide­nden Handelspar­tner geworden, während der Krise in Europa gingen zehntausen­de Portugiese­n als Wirtschaft­smigranten in die Ex-Kolonie.

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