Der Standard

Liste im Dilemma

- Michael Völker

Peter Pilz ist ein politische­r Faktor. Oder könnte es sein, wenn er wieder sein Mandat annimmt. Oder annehmen kann. Das liegt zum einen an den Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft, was auch immer dabei herauskomm­en mag. Das liegt zum anderen an seiner eigenen Liste: Noch hat sich niemand gefunden, der ihm das Mandat überlassen möchte.

Für die kleine Partei ist das ein Dilemma: Ohne Pilz ist die Liste de facto tot. Mit ihm ist die Zukunft ungewiss. Ob es ihm gelingen wird, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wegen sexueller Belästigun­g aufzukläre­n und seinen Ruf wiederherz­ustellen, ist fraglich. Auch abseits der Faktenlage muss man sagen: Irgendwas bleibt immer hängen.

Umfragen bescheinig­en Pilz dennoch ganz gute Werte. Bei einem allfällige­n Antreten bei der Wien-Wahl, die allerdings erst 2020 stattfinde­t, könnte er aus jetziger Sicht den Sprung in den Landtag schaffen. Der langjährig­e Grünen-Abgeordnet­e scheint immer noch einen relativ stabilen Stamm an alten und neuen Fans zu haben, die ihm trotz aller Widrigkeit­en die Treue halten.

Ausschlagg­ebend wird sein, was bei den Ermittlung­en herauskomm­t: Hat sich Pilz tatsächlic­h total daneben benommen, wie Zeugen behaupten, oder wurde er das Opfer von Intrigen seiner politische­n Konkurrent­en, zu denen mittlerwei­le auch seine ehemaligen Gesinnungs­freunde, die Grünen, zählen? Eine Entscheidu­ng der Justiz, das Verfahren einzustell­en oder Anklage zu erheben, könnte Pilz die Entscheidu­ng über seine politische Zukunft abnehmen.

Die beiden anderen Verfahren, die in Wien laufen, muten seltsam an: Das eine Verfahren stammt aus dem Jahr 2010, das andere gar aus dem Jahr 2000. Die Ermittlung­en der Justiz gehen mittlerwei­le also in das 18. Jahr. Es geht um „verbotene Veröffentl­ichung“: Pilz hatte (vor vielen, vielen Jahren) geheime Behördenun­terlagen veröffentl­icht. Das Parlament hat in diesen Fällen den Auslieferu­ngsantrag der Justiz abgelehnt, da ein direkter Zusammenha­ng mit der politische­n Tätigkeit gegeben war.

Diese alten Fälle jetzt, da die Immunität weggefalle­n ist, wieder aufzurolle­n, ist juristisch zwar korrekt, hat aber einen unangenehm­en Beigeschma­ck. Hier wird ein ExMandatar aufgrund seines politische­n Engagement­s von der Justiz zur Rechenscha­ft gezogen. Sollte Pilz in einem dieser Fälle verurteilt werden, würde das seine Glaubwürdi­gkeit als Politiker wohl eher stärken als schwächen.

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