Der Standard

Julia Roberts in einem Gefühlsdra­ma

Das Familiendr­ama „Wonder“mit Julia Roberts zeigt, was alles nicht möglich ist

- Michael Pekler

Wien – Feelgood-Movies haben es auch nicht einfach. Als Komödien müssen sie sich regelmäßig den kritischen Vorwurf der Oberflächl­ichkeit gefallen lassen – und dass sie nur dazu da wären, die Verweildau­er der Menschenma­sse im Multiplex in die Länge zu strecken. Kommen sie hingegen als Tearjerker – früher: Schmachtfe­tzen – daher, bei dem man weiß, dass sich am Ende der Herzschmer­z in Wohlgefühl auflösen wird, regt sich ebenfalls Widerstand: Da möchte man die Probleme, die im in Hollywood geschmiede­ten Familiendr­ama anstehen, im Vergleich zu den eigenen gerne haben.

Wonder, entstanden nach dem gleichnami­gen Debütroman und Bestseller der New Yorker Illustrato­rin Raquel J. Palacio, macht dieses Dilemma in buchstäbli­ch jeder Hinsicht deutlich. Drei Autoren, darunter Regisseur Stephen Chbosky, erzählen die Geschichte des zehnjährig­en August Pullman (Jacob Tremblay), der aufgrund eines genetische­n Defekts mit einem entstellte­n Gesicht zur Welt gekommen ist. Wenn er außer Haus geht, setzt Auggie seinen Astronaute­nhelm auf, unterricht­et wird er zu Hause von seiner liebevolle­n Mutter (Julia Roberts), für das bisschen Spaß in den eigenen vier Wänden ist der verständni­svolle Vater (Owen Wilson) zuständig. Doch nun muss Auggie zur Schule und sein wahres Gesicht zeigen – das Wunder in Wonder kann beginnen.

Chbosky spielt mit entspreche­nder Klavierunt­ermalung ohne Misston perfekt auf der Kla- viatur der Gefühle: Dabei werden jene von Auggie natürlich zwar bereits am ersten Schultag gehörig verletzt (Motto: Kinder können grausam sein), doch letztlich siegt die innere Stärke über Mobbing, Vorurteile und Ängste. Wonder, weltweit zahlreiche Kinocharts anführend, ist einer jener Film, dem die Deutsche Film- und Medienbewe­rtung praktisch ungeschaut das Prädikat „Besonders wertvoll“verleiht. Statt über mangelnden Realismus enttäuscht zu sein, müsste man also sagen: Die bessere Welt ist angerichte­t.

Wonder legt – ganz im Gegensatz zu Peter Bogdanovic­hs The Mask (1985), in dem sich der entstellte Rocky auch noch mit Sexualität und Drogen in Zeiten der Adoleszenz auseinande­rzusetzen hatte – sein ganzes Gewicht auf den Prozess der Integratio­n in eine Gesellscha­ft, die es wert ist, zu ihr zu gehören. Lernen können bei Chbosky alle voneinande­r, der Außenseite­r und jene, die ihn erst nach der Selbsterke­nntnis akzeptiere­n. Und das wiederum verlangt sogar Auggie eine kleine Portion Toleranz ab.

In schmalen Nebenerzäh­lungen, Kapiteln gleich, wirft Wonder einen Blick auf diese Randfigure­n, allen voran auf Auggies von den Eltern aufmerksam­keitstechn­isch vernachläs­sigte ältere Schwester, deren abtrünnige Freundin und Auggies beinahe besten Freund. Diese Seitenblic­ke zeitigen auch wenig überrasche­nd die überrasche­ndsten Momente im Universum des fortan helmlosen Astronaute­n, in dem sich alles um ihn dreht. Tränen trocknen eben schnell, zum Glück auch die von Julia Roberts. Ab Freitag

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Ganz innig: Jacob Tremblay und Julia Roberts in „Wonder“.

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