Minister rechnet mit 30.000 Schülern für Deutschförderklassen
Faßmann: Jeden vierten Erstklassler testen Zumindest 300 Lehrer zusätzlich nötig
Wien – Schüler mit Sprachdefiziten will Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) ab kommendem Schuljahr in Deutschförderklassen unterrichten lassen. Volksschüler sollen dort 15, jene an weiterführenden Schulen wie AHS oder NMS 20 Wochenstunden verbringen.
Bei der Schuleinschreibung wird festgestellt, ob Kinder mangelnde Deutschkenntnisse aufweisen – wenn ja, werden diese einem Test unterzogen. Faßmann rechnet damit, dass dann von den rund 70.000 Schulanfängern ein Viertel als „außerordentliche Schüler“eingestuft werden, die in Förderklassen müssen – zusammen mit den „Quereinsteigern“in höheren Klassen käme man so auf rund 30.000 „Außerordentliche“pro Jahr. Den Bedarf an zusätzlichen Lehrern bezifferte der Minister mit etwa 300.
Die FPÖ sprach von einem „Meilenstein“für „eine schnellere Integration von ausländischen Kindern“. SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid, Faßmanns Vorgängerin, kritisierte, dass „offen“sei, wie die benötigten Lehrer und Klassenräume finanziert werden.
„Vorsichtig positiv“bewerteten die Neos das Konzept, bei der Liste Pilz befürchtet man eine soziale Ausgrenzung von Kindern, bei den Grünen „Ghettoklassen“. (red)
Wien – Schon ab kommendem Schuljahr will Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP), vor seiner Beförderung durch Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Vorsitzender des Expertenrats im Integrationsministerium, mit einem „Leuchtturmprojekt“, wie es in Koalitionskreisen gern heißt, ernst machen: Und zwar mit der Einführung sogenannter „Deutschförderklassen“für Kinder, die Sprachdefizite aufweisen – unter Kritikern oft als „Ghettoklassen“qualifiziert, weil dort freilich vorwiegend Flüchtlings- und Migrantenkindern mit schlechten Deutschkenntnissen sitzen werden.
Diesen Begriff wischte der neue Minister bei der Präsentation am Montag gleich vom Tisch. Es brauche hier eben so viel Differenzierung wie nötig, erklärte Fassmann, und: Es mache keinen Sinn, dass man Schüler mit mangelndem Deutsch im Unterricht einfach „dem Sprachbad der Mehrheitsgesellschaft“aussetze.
Entwurf bis zum Sommer
Praktische wie budgetäre Details blieb Faßmann jedoch schuldig, denn ein legistischer Entwurf für die Deutschförderklassen wird erst bis Sommer erarbeitet – und was den finanziellen Mehraufwand betrifft, stellte er klar: „Die Kosten, die jetzt getätigt werden, ersparen uns womöglich Sozialtransfers.“Wie will die Regierung Kindern mit Sprachdefiziten also künftig Deutsch so rasch wie möglich beibringen?
Schuleintritt Bei der Schuleinschreibung sollen die Direktoren im Zuge eines Gesprächs mit den Erstklässlern beziehungsweise den neuen Unterstufenschülern an den AHS und NMS feststellen, ob das Kind Sprachdefizite aufweist – und wenn ja, werden sie einem standardisierten Test unterzogen. Faßmann und sein zuständiger Abteilungsleiter im Ressort, Martin Netzer, bezeichnen das als „erstes Screening“, ebenfalls gepriesen wurde „die Treffsicherheit“des Verfahrens, das aber „nicht knallhart“sein solle.
Standardisierter Test Ergibt das Ergebnis, dass dem Unterricht nicht in ausreichender Weise gefolgt werden kann, bekommt der Schüler das Prädikat „außerordentlicher Schüler“und kommt in eine „Deutschförderklasse“– und zwar für 15 Wochenstunden in der Volksschule, für 20 Wochenstunden in den Unterstufen der weiterführenden Schulen.
Bildung von Deutschförderklassen Für das Zustandekommen einer Förderklasse müssen zumindest sechs Kinder an einem Schulstandort zusammenkommen. Bei geringerer Anzahl könnten die Schüler im System mitgetragen werden, so Faßmann.
Doch was, wenn in bestimmten Wiener Bezirken unter den Erstangemeldeten eines Jahrgangs überproportional viele Migrantenkinder sind? Auf STANDARD- Anfrage gab Faßmann zu, dass dies „eine organisatorische Herausforderung“sei, zur praktischen Umsetzung äußerte er sich nicht.
Der Minister rechnet damit, dass sich von den rund 70.000 Erstklässlern im Jahr ein Viertel einem Sprachtest unterziehen werde müssen – der Großteil davon freilich in Wien, Graz und Linz. In der Bundeshauptstadt etwa geht das Ministerium von mehr als sechzig Förderklassen aus. Zusammen mit den „Quereinsteigern“in höheren Klassen käme man so auf rund 30.000 „Außerordentliche“pro Jahr. Dazu bemisst Faßmann den zusätzlichen Bedarf an Lehrern mit 300 Pädagogen.
Deutschforcierter Unterricht In den Deutschförderklassen wird dann nach eigenem Lehrplan vorwiegend Deutsch unterrichtet, in „weniger sprachsensiblen Gegenständen“, wie man es nannte, wie etwa Zeichnen, Musik oder Turnen, werden die Schüler mit ihren Altergenossen in den Regelklassen unterrichtet. Sinn und Zweck dieses Vorgehens: dass die Deutschkenntnisse mit Gleichaltrigen weiterentwickelt werden.
Übertritt in den Regelunterricht Nach jedem Semester wird erneut mit einem einheitlichen Test überprüft, ob die Kinder mittlerweile dem Regelunterricht folgen können. Bei einem positiven Ergebnis steht ein Wechsel an – per Feststellungsprüfung entscheidet sich, in welche reguläre Schulstufe. Bei einem negativen Ergebnis bleiben die betroffenen Schüler in der Deutschförderklasse – und zwar bis zu vier Semester lang. Danach gibt es eben Regelunterricht plus sechs Wochenstunden Deutschförderkurs.
Immer wieder verwies der Bildungsminister darauf, dass es für sein Konzept internationale Vorbilder gebe und auch auf die hierzulande längst existierenden Sprachstartgruppen, die für sein Modell quasi Pate gestanden hätten – doch derzeit wären maximal elf Wochenstunden Förderzeit möglich.
FPÖ-Klubchef Johann Gudenus sprach von einem „Meilenstein für eine schnellere Integration von ausländischen Kindern“. SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid, früher selbst Bildungsministerin, kritisierte am Konzept ihres Nachfolgers die offene Finanzierung – sie selbst ist im Herbst noch von einem Bedarf an 5000 zusätzlichen Pädagogen ausgegangen.