Höchste Lawinengefahr in Westösterreich
Erstmals seit 1999 gilt wieder die höchste Lawinenwarnstufe. Im langfristigen Vergleich gibt es aber immer weniger Schnee.
Bis zu anderthalb Meter Neuschnee binnen 48 Stunden: Die ergiebigen Schneefälle am Wochenende haben in Westösterreich zu einer extrem angespannten Lawinensituation geführt. Erstmals seit 1999, als es im Paznauntal zum verheerenden Lawinenereignis von Galtür mit insgesamt 38 Todesopfern gekommen ist, wurde in Teilen Tirols daher die höchste Warnstufe 5 ausgerufen. Betroffen sind das Lechtal und seine Seitentäler, das Stanzer-, Paznaun-, Kauner-, Pitzsowie das hintere Ötztal und die südlichen Stubaier Alpen.
Warnstufe 5 bedeutet, dass spontan viele große und auch sehr große Lawinen, selbst in mäßig steilem Gelände, zu erwarten sind. An Wintersport ist bei solchen Bedingungen nicht mehr zu denken. Das Land Tirol empfahl daher am Montag, in den betroffenen Gebieten keine Outdoor-Veranstaltungen mehr durchzuführen sowie alle nicht unbedingt nötigen Autofahrten sowie Aufenthalte im Freien zu vermeiden.
An ein Weiterkommen war vielerorts ohnehin nicht zu denken. So war Tirol am Montagnachmittag von Norden kommend nur mehr über die Autobahn A12 bei Kufstein und die dortigen Bundesstraßen B172 sowie B176 erreichbar. Im Außerfern sowie am Achensee ging nichts mehr. Gemäß Informationen des Autofahrerclubs ÖAMTC waren in Westösterreich mehr als 30 Straßenzüge gesperrt.
Die Skiorte Lech, St. Anton und Ischgl waren am Montag vorübergehend von der Außenwelt abgeschnitten. Somit saßen tausende Winterurlauber in ihren Domizilen fest. Grund zur Beunruhigung bestand aber nicht, da man in den betroffenen Orten auf solche kurzfristigen Sperren vorbereitet und die Versorgung mit allen wichtigen Gütern gesichert ist.
Arlberg-Bahnstrecke gesperrt
Selbst der Bahnverkehr wurde durch die Schneemassen beeinträchtigt. So musste die Arlbergstrecke zwischen Landeck-Zams in Tirol und Bludenz in Vorarlberg wegen Lawinengefahr eingestellt werden. Zwar wurde ein Schienenersatzverkehr eingerichtet, doch für Reisende mit Ziel St. Anton kündigten die ÖBB Ersatzunterkünfte an, bis der Ort wieder erreichbar ist.
Der Leiter des Lawinenwarndienstes Tirol, Rudi Mair, rief angesichts der angespannten Lage und der bis voraussichtlich Dienstagnacht anhaltenden Schneefälle die höchste Warnstufe 5 aus. Trotzdem sei die Situation nicht mit der von Galtür vor 20 Jahren vergleichbar. Denn damals hatte man es mit deutlich mehr Neuschnee zu tun. Fielen 1999 innert eines Monats bis zu sechs Meter, so war der heurige Winter bisher zwar ebenfalls schneereich, aber immer wieder von Wärmephasen geprägt, in denen sich der Schnee setzen konnte.
Dennoch wollte man seitens der Behörden kein Risiko eingehen, wie Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) erklärte: „Die außergewöhnliche Niederschlagssituation erfordert ein spezielles Einsatzmanagement.“Der Hubschrauber des Landes war daher am Montag im Dauereinsatz, um in ganz Tirol Erkundungsflüge mit Lawinenkommissionen durchzuführen. Zudem wurde vorsorglich ein Bundesheerhubschrauber ins be- sonders vom Schneefall betroffene Oberland verlegt und drei weitere TransportHelikopter des Heeres angefordert.
Doch Vorsicht ist nicht nur am Berg geboten, wie Meteorologe Karl Gabl erklärt. Denn die großen Schneemengen bedeuten für die Dächer der Häuser eine enorme Belastung. In Österreich gelten diesbezüglich unterschiedliche Normen. Während Dächer in Wien nur rund 80 Kilo pro Quadratmeter aushalten müssen, liegt die maximale Schneelast in Warth etwa bei 1,4 Tonnen. In St. Anton beträgt die Normlast 450 Kilo pro Quadratmeter. Derzeit komme man auf bis zu 400 Kilo, schätzt Gabl: „Man kann daher schon von einem extremen Ereignis sprechen.“
Der Experte empfiehlt, die Dächer wenn möglich vom Schnee zu befreien. Er warnt aber davor, dies ohne Seilsicherung zu tun, weil Absturzgefahr bestehe. Zudem sei erhöhte Vorsicht geboten, wenn Kinder bei solchen Schneemengen im Freien spielen. Gabl rät, sie nicht aus den Augen zu lassen, da Erstickungsgefahr bestehe, sollten sie unter den Schneemassen zu liegen kommen.