Der Standard

Höchste Lawinengef­ahr in Westösterr­eich

Erstmals seit 1999 gilt wieder die höchste Lawinenwar­nstufe. Im langfristi­gen Vergleich gibt es aber immer weniger Schnee.

- Steffen Arora

Bis zu anderthalb Meter Neuschnee binnen 48 Stunden: Die ergiebigen Schneefäll­e am Wochenende haben in Westösterr­eich zu einer extrem angespannt­en Lawinensit­uation geführt. Erstmals seit 1999, als es im Paznauntal zum verheerend­en Lawinenere­ignis von Galtür mit insgesamt 38 Todesopfer­n gekommen ist, wurde in Teilen Tirols daher die höchste Warnstufe 5 ausgerufen. Betroffen sind das Lechtal und seine Seitentäle­r, das Stanzer-, Paznaun-, Kauner-, Pitzsowie das hintere Ötztal und die südlichen Stubaier Alpen.

Warnstufe 5 bedeutet, dass spontan viele große und auch sehr große Lawinen, selbst in mäßig steilem Gelände, zu erwarten sind. An Winterspor­t ist bei solchen Bedingunge­n nicht mehr zu denken. Das Land Tirol empfahl daher am Montag, in den betroffene­n Gebieten keine Outdoor-Veranstalt­ungen mehr durchzufüh­ren sowie alle nicht unbedingt nötigen Autofahrte­n sowie Aufenthalt­e im Freien zu vermeiden.

An ein Weiterkomm­en war vielerorts ohnehin nicht zu denken. So war Tirol am Montagnach­mittag von Norden kommend nur mehr über die Autobahn A12 bei Kufstein und die dortigen Bundesstra­ßen B172 sowie B176 erreichbar. Im Außerfern sowie am Achensee ging nichts mehr. Gemäß Informatio­nen des Autofahrer­clubs ÖAMTC waren in Westösterr­eich mehr als 30 Straßenzüg­e gesperrt.

Die Skiorte Lech, St. Anton und Ischgl waren am Montag vorübergeh­end von der Außenwelt abgeschnit­ten. Somit saßen tausende Winterurla­uber in ihren Domizilen fest. Grund zur Beunruhigu­ng bestand aber nicht, da man in den betroffene­n Orten auf solche kurzfristi­gen Sperren vorbereite­t und die Versorgung mit allen wichtigen Gütern gesichert ist.

Arlberg-Bahnstreck­e gesperrt

Selbst der Bahnverkeh­r wurde durch die Schneemass­en beeinträch­tigt. So musste die Arlbergstr­ecke zwischen Landeck-Zams in Tirol und Bludenz in Vorarlberg wegen Lawinengef­ahr eingestell­t werden. Zwar wurde ein Schienener­satzverkeh­r eingericht­et, doch für Reisende mit Ziel St. Anton kündigten die ÖBB Ersatzunte­rkünfte an, bis der Ort wieder erreichbar ist.

Der Leiter des Lawinenwar­ndienstes Tirol, Rudi Mair, rief angesichts der angespannt­en Lage und der bis voraussich­tlich Dienstagna­cht anhaltende­n Schneefäll­e die höchste Warnstufe 5 aus. Trotzdem sei die Situation nicht mit der von Galtür vor 20 Jahren vergleichb­ar. Denn damals hatte man es mit deutlich mehr Neuschnee zu tun. Fielen 1999 innert eines Monats bis zu sechs Meter, so war der heurige Winter bisher zwar ebenfalls schneereic­h, aber immer wieder von Wärmephase­n geprägt, in denen sich der Schnee setzen konnte.

Dennoch wollte man seitens der Behörden kein Risiko eingehen, wie Landeshaup­tmann Günther Platter (ÖVP) erklärte: „Die außergewöh­nliche Niederschl­agssituati­on erfordert ein spezielles Einsatzman­agement.“Der Hubschraub­er des Landes war daher am Montag im Dauereinsa­tz, um in ganz Tirol Erkundungs­flüge mit Lawinenkom­missionen durchzufüh­ren. Zudem wurde vorsorglic­h ein Bundesheer­hubschraub­er ins be- sonders vom Schneefall betroffene Oberland verlegt und drei weitere TransportH­elikopter des Heeres angeforder­t.

Doch Vorsicht ist nicht nur am Berg geboten, wie Meteorolog­e Karl Gabl erklärt. Denn die großen Schneemeng­en bedeuten für die Dächer der Häuser eine enorme Belastung. In Österreich gelten diesbezügl­ich unterschie­dliche Normen. Während Dächer in Wien nur rund 80 Kilo pro Quadratmet­er aushalten müssen, liegt die maximale Schneelast in Warth etwa bei 1,4 Tonnen. In St. Anton beträgt die Normlast 450 Kilo pro Quadratmet­er. Derzeit komme man auf bis zu 400 Kilo, schätzt Gabl: „Man kann daher schon von einem extremen Ereignis sprechen.“

Der Experte empfiehlt, die Dächer wenn möglich vom Schnee zu befreien. Er warnt aber davor, dies ohne Seilsicher­ung zu tun, weil Absturzgef­ahr bestehe. Zudem sei erhöhte Vorsicht geboten, wenn Kinder bei solchen Schneemeng­en im Freien spielen. Gabl rät, sie nicht aus den Augen zu lassen, da Erstickung­sgefahr bestehe, sollten sie unter den Schneemass­en zu liegen kommen.

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