Der Standard

Noch 2019 nach Jerusalem

Pence nennt Zeitplan für Übersiedlu­ng der US-Botschaft

- Lissy Kaufmann aus Jerusalem

Jerusalem/Brüssel – Anfang Dezember hatte US-Präsident Donald Trump Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt und angekündig­t, die US-Botschaft von Tel Aviv dorthin verlegen zu lassen. Nun präzisiert­e sein Vizepräsid­ent den Zeitplan: Noch „vor Ende 2019“werde die diplomatis­che Vertretung der USA nach Jerusalem übersiedel­n, sagte Mike Pence am Montag vor der Knesset, dem israelisch­en Parlament.

Gleichzeit­ig rief er die Palästinen­ser auf, an den Verhandlun­gs- tisch zurückzuke­hren: „Frieden kann nur durch Dialog entstehen.“Arabische Abgeordnet­e boykottier­ten Pence’ Rede, manche verließen das Plenum, andere wurden des Saales verwiesen, als sie im Protest Schilder hochhielte­n.

Unterdesse­n traf sich Palästinen­serpräside­nt Mahmud Abbas in Brüssel mit EU-Vertretern. Außenbeauf­tragte Federica Mogherini sagte, die EU beharre auf einer Zweistaate­nlösung mit Jerusalem als Hauptstadt von Israel und Palästina. (red)

US-Vizepräsid­ent Mike Pence wollte am Montagnach­mittag gerade mit seiner Rede vor der Knesset in Jerusalem loslegen, da kam es schon zum erwartbare­n Zwischenfa­ll: Arabische Abgeordnet­e der Vereinten Liste hoben aus Protest über Trumps Jerusalem-Entscheidu­ng Plakate hoch und wurden sofort vom Sicherheit­spersonal aus dem Plenum geschoben.

Pence jedoch ließ sich nicht beirren, betonte noch einmal, dass Jerusalem die Hauptstadt Israels sei – und kündigte an, dass die USBotschaf­t noch vor Ende 2019 nach Jerusalem ziehen werde. Seine Worte ließen kein bisschen Zweifel daran, wo die USA jetzt stehen: Die Verbindung der beiden Länder sei nie größer, die Freundscha­ft nie tiefer gewesen, so Pence. „Amerika steht an der Seite Israels. Eure Sache ist unsere Sache – eure Werte sind unsere Werte – euer Kampf ist unser Kampf.“Auch Premiermin­ister Benjamin Netanjahus Lieblingst­hema Iran ließ er nicht aus: Pence nannte den Atomdeal ein „Desaster“und betonte, die USA würden nicht zulassen, dass der Iran Nuklearwaf­fen erhalte.

Pence’ Rede vor der Knesset – die erste eines amerikanis­chen Vizepräsid­enten überhaupt – wurde im Vorfeld mit Spannung erwartet. Es ist einer der zentralen Termine des zweitägige­n Besuchs in Israel im Rahmen seiner Nahostreis­e, die ihn zuvor nach Ägypten und Jordanien führte. Am Dienstag wird Pence noch Präsident Reuven Rivlin treffen sowie die Holocaust-Gedenkstät­te Yad Vashem und die Klagemauer besuchen. Sein Besuch in Israel, bei dem er übrigens mit keinem einzigen Vertreter von palästinen­sischer Seite zusammenko­mmt, zeigt deutlich, wie gespalten die Region ist – vor allem seitdem Trump im Dezember Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt hat.

„Hier nicht willkommen“

Auf der einen Seite begrüßten Plakate in Jerusalem den US-Vizepräsid­enten mit der Aufschrift: „Willkommen Vizepräsid­ent Pence! Sie sind ein wahrer Freund Zions!“Sowohl Opposition­sführer Yitzhak Herzog als auch Premiermin­ister Netanjahu sprachen warme Begrüßungs­worte in der Knesset. Auf palästinen­sischer Seite hingegen verbrannte­n Demonstran­ten am Sonntagabe­nd Plakate mit dem Foto des US-Vizepräsid­enten. Auf einer Mauer nahe Bethlehem war auf einem Graffito mit dem Abbild von USPräsiden­t Trump die Aufschrift „Mr. Pence, Sie sind hier nicht willkommen“zu sehen.

Die Palästinen­ser sind enttäuscht und wütend über Trumps Jerusalem-Entscheidu­ng. Sie sehen Ostjerusal­em als Hauptstadt ihres zukünftige­n Staates. Präsident Mahmud Abbas hatte die USPolitik eine „Jahrhunder­t-Ohrfeige“genannt und lehnte ein Treffen mit Pence ab.

Stattdesse­n war Abbas am Montag in Brüssel unterwegs ( s. Seite 4), wo er um die Unterstütz­ung der Europäisch­en Union für Ostjerusal­em als Hauptstadt eines palästinen­sischen Staates warb.

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