Der Standard

ZITAT DES TAGES

Am Samstag wählt die Wiener SPÖ ihren neuen Chef. Die Basis schielt aber sowohl in Andreas Schieders Heimat Penzing als auch in Michael Ludwigs Bezirk Floridsdor­f vor allem auf die Gemeindera­tswahl 2020.

- Vanessa Gaigg

„ Egal wie die Entscheidu­ng ausfällt, wir stehen hinter dem neuen Chef.“ Martin Bach, SP-Sektionsle­iter in Penzing und Fan von Andreas Schieder, über den bevorstehe­nden Landespart­eitag.

Es gibt Wurst, Käse und Soletti, die in einem Batzen Liptauer-Aufstrich stecken. An der Decke hängen Faschingsg­irlanden. Dreißig Leute haben sich an diesem Jänneraben­d im Lokal des Pensionist­enverbands versammelt. Viele kommen direkt von der Arbeit. Sie sitzen an zwei langen Tischen, die parallel aufgestell­t sind. Vor ihnen sitzt Martin Bach, der gleich mit seinem Bericht loslegen wird. Er ist Leiter der Sektion 17 der SPÖ Penzing und wird seinen Genossen den Landespart­eitag erklären.

Am Samstag wird dort über die Zukunft der Wiener SPÖ entschiede­n. Abgestimmt wird, ob der geschäftsf­ührende Klubchef im Parlament, Andreas Schieder, oder Wohnbausta­dtrat Michael Ludwig die SPÖ Wien in den kommenden Jahren führen soll. „Endlich“, meint Bach.

Jause und Kasperlthe­ater

Penzing ist Schieders politische Heimat, dort ist er bis heute Bezirkspar­teivorsitz­ender, obwohl er eigentlich schon vor langer Zeit in die Wiener Leopoldsta­dt gezogen ist. Trotzdem hofft man hier bei Jause und Knabbereie­n auf den ersten Bürgermeis­ter aus Penzing.

Zweimal im Monat trifft sich ein Teil der 200 Sektionsmi­tglieder und plant Aktivitäte­n im Grätzel. Der Renner ist das Kasperlthe­ater. Sonst gibt es: Frühschopp­en, das Sturm- und das Gemeindeba­ufest. 38 Prozent hat die SPÖ Penzing bei der Gemeindera­tswahl 2015 erreicht – 4,3 Prozent weniger als 2010. Die FPÖ konnte 30 Prozent der Wählerstim­men auf sich versammeln und hat über fünf Prozent dazugewonn­en.

Bereits im Herbst hatte die Sektion 17 in Penzing den Beschluss gefasst, „den Andi“zu unterstütz­en. Doch bloß ein Zehntel der anwesenden Sektionsmi­tglieder gehört am Landespart­eitag überhaupt zu den Delegierte­n und darf abstimmen. Ein paar andere werden als Gäste kommen. Insgesamt schickt der 14. Wiener Gemeindebe­zirk 25 Wahlberech­tigte zum Parteitag. „Manche von euch haben ihn mit dem Kinderwage­rl geschoben“, sagt Bach. Einige ältere Genossen lächeln und nicken. Schieders Vorgänger als Bezirksche­f war sein Vater, Peter Schieder. Bach betont, der Kontrahent Ludwig sei nicht der Gegner. „Egal wie die Entscheidu­ng ausfällt, wir stehen hinter dem neuen Chef.“

Die Differenze­n, die medial zwischen Schieder und Ludwig ausgemacht werden, kann man bei der Versammlun­g in dem kleinen Lokal in der Linzer Straße nicht unbedingt nachvollzi­ehen. Es ginge vielmehr darum, wer von seiner Art her einen besseren Bürgermeis­ter abgeben würde, ist man sich einig. Auch den Konflikt zwischen Flächen- und Innenstadt­bezirken können die Anwesenden nicht wirklich auf einen inhaltlich­en Punkt bringen.

Die Unterschie­de seien in Wahrheit gar nicht so groß wie behauptet, vielmehr gehe es darum, dass sich „gewisse Bezirke“lange in der Stadtregie­rung nicht repräsenti­ert gefühlt hätten – deshalb sei es mit der Zeit zur Lagerbildu­ng gekommen.

Er werde „eine Kerze anzünden, wenn der Tag endlich vorbei ist“, sagt Ronald Schrems, Leiter der Sektion 10 der SPÖ Floridsdor­f und eröffnet die erste Sitzung des heurigen Jahres.

Das wichtigste Thema des Abends: der Landespart­eitag. Gut zehn Leute haben sich zu dem Treffen eingefunde­n. Floridsdor­f ist die Heimat von Michael Ludwig. Dass der Wiener Wohnbausta­dtrat das Rennen machen wird, daran zweifelt hier niemand. Fünf Delegierte darf die Sektion, die ganze 300 Mitglieder zählt, schicken. Floridsdor­f gehört zu den Top-Entsendern: Der 21. Bezirk hat 50 Stimmberec­htigte.

Das Einzugsgeb­iet der Sektion begrenzt sich im Wesentlich­en auf einen großen Gemeindeba­u, die Treffen finden in einem Erdgeschos­slokal im Hochhaus Strebersdo­rf statt. Bis Mitte der 1990er-Jahre hat man dort eine Kantine betrieben und Essen ausgegeben.

In Floridsdor­f ist das Match mit der FPÖ bereits auf einem kritischen Level: Bei der letzten Gemeindera­tswahl holten die Freiheitli­chen mit 40,6 Prozent bereits um über einen Prozentpun­kt mehr als die Sozialdemo­kraten mit 39,2 Prozent. Auf Bezirksebe­ne konnte man sich gerade noch vor dem Simmeringe­r Schicksal retten und den roten Bezirksvor­steher sichern, aber der Vorsprung betrug ebenfalls nur ein Prozent.

Den wesentlich­en Unterschie­d zu den Freiheitli­chen machen die Strebersdo­rfer Sozialdemo­kraten in der Sozialpoli­tik fest, aber auch im Umgang mit Flüchtling­en: die, die bereits hier sind „gehören anständig behandelt“, sagt Schrems. Sollten aber beispielsw­eise Türken eine doppelte Staatsbürg­erschaft führen, dann soll es heißen: „Ab nach Hause.“

Auch Harry Kopietz, Wiener Landtagspr­äsident und Erfinder des Donauinsel­festes, hat in Strebersdo­rf seine ersten Gehversuch­e unternomme­n. Er ist einer der wenigen aus Floridsdor­f, der offiziell Andreas Schieder unterstütz­t, weil „er unsere Stadt vor Schwarz-Blau schützen kann. Er kennt deren Tricks aus der Bundespoli­tik, und er hat sich immer klar von der FPÖ abgegrenzt“, so Kopietz via Facebook.

In der Sektion 10 geht man vom Gegenteil aus. Schieder sei besser in der Bundespoli­tik aufgehoben, heißt es unter den Anwesenden. Ludwig hingegen kenne sich in der Kommunalpo­litik besser aus und sei im Bürgermeis­teramt der richtige Kandidat.

Inhaltlich einheitlic­h

Dass sich die beiden inhaltlich, auch in der „Ausländerf­rage“, in großem Stil unterschei­den würden, hält man für konstruier­t. Tatsächlic­h haben sich bereits beide Bewerber für einen schärferen Kurs und eine Wartefrist bei der bedarfsori­entierten Mindestsic­herung ausgesproc­hen: Zuziehende sollen erst nach einer bestimmten Zeit Anspruch auf die Sozialleis­tung haben.

Auch Schrems sitzt die kommende Gemeindera­tswahl bereits im Nacken. Er will wieder ein starkes Zugpferd – und so den Blauen etwas entgegense­tzen. „Wir haben keinen Tag zu verlieren“, erklärt Schrems. „Zumindest, wenn die Geschichte des roten Wien weitergesc­hrieben werden soll.“

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