Der Standard

In gut einem Jahr werden bei den EU-Wahlen die Karten in Parlament und Kommission neu gemischt. Das Vorspiel: Die FPÖ attackiert Othmar Karas, will den EU-Abgeordnet­en zu Fall bringen. Er gilt als „Paradeeuro­päer“der ÖVP.

- Thomas Mayer aus Brüssel

Der Angriff auf den neuen Koalitions­partner ÖVP kam wohlüberle­gt, ruhig, unmissvers­tändlich und brutal: „Ich sehe Delegation­sleiter Othmar Karas in absolutem Widerspruc­h zu seiner Partei agieren“, sagte Harald Vilimsky in einem Standard- Interview vergangene Woche am Rande der Plenartagu­ng des Europäisch­en Parlaments in Straßburg.

Der FPÖ-Generalsek­retär ist in zweiter Funktion selbst EU-Abgeordnet­er und – wie Karas – auch Delegation­sleiter von insgesamt vier freiheitli­chen Abgeordnet­en, die alle Mitglieder in der Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) sind.

Diese Fraktion mit aktuell 37 Mandataren gilt bei den anderen Fraktionen nicht nur als EUskeptisc­h, sondern als Sammelbeck­en der „extrem Rechten“(englisch: far right). Dies auch deshalb, weil der französisc­he Front National (FN) unter Parteichef­in Marine Le Pen in der ENF mit 17 EU-Abgeordnet­en den Ton angibt. Der FN-Mann Nicolas Bay war es auch, der Madame Le Pen nach ihrem Wechsel ins französisc­he Parlament im September als ENF-Fraktionsc­hef ablöste. Vilimsky ist sein Stellvertr­eter.

Die Rechtsfrak­tion, der auch die Lega aus Italien oder die antimuslim­ische „Freiheitsp­artei“von Geert Wilders aus den Niederland­en angehören, steht für einen harten Anti-EU-Kurs. Le Pen ruft regelmäßig zum „Kampf gegen die EU“auf, forderte im Präsidents­chaftswahl­kampf im Mai 2016 Frankreich­s Ausstieg aus dem Euro.

Darum und um die Frage, warum die FPÖ als Regierungs­partei weiterhin in dieser isolierten und umstritten­en Fraktion bleibe, wo doch ÖVP-Bundeskanz­ler Sebastian Kurz überall betone, wie „proeuropäi­sch“die neue türkis-blaue Regierung in Wien sei, ging es im Interview. Vilimsky, ein erfahrener Wahlkampfl­eiter, wies jeden Gedanken zurück, seine Delegation könnte die ENF verlassen. Die FPÖ sei nur EU-kritisch, es gebe keinen Fraktionsz­wang.

Im Gegenteil, er kündigte unmissvers­tändlich an, dass er und seine Mitstreite­r anstrebten, nach den Europawahl­en im Mai 2019 eine noch breitere Rechtsfrak­tion aus den bestehende­n drei EU-kritischen Gruppen auf die Beine zu stellen. Karas, der weit über seine Partei hinaus als „Paradeeuro­päer“in der Tradition von Alois Mock gilt, dürfte in den Augen von Vilimsky dabei keine Rolle mehr spielen. Er sagte: „Ich glaube, wenn Sebastian Kurz sich durchsetzt, dann wird es bei der nächsten Listenerst­ellung für die EUWahlen eine Änderung geben.“

Kampfansag­e an EVP

Aus Sicht der ÖVP wie ihrer Mutterfrak­tion, der Europäisch­en Volksparte­i (EVP), klingt das wie eine Kampfansag­e, nicht nur, weil die EVP per Präsidiums­beschluss jede Kooperatio­n mit der Le-PenGruppe verbietet. Karas war 2014 Spitzenkan­didat, genießt bei Europas Christdemo­kraten hohes Ansehen. Er zog 1999 ins EU- Parlament ein, dem er seitdem ohne Unterbrech­ung angehört, war ab 2012 Vizepräsid­ent, Schatzmeis­ter der Gesamtfrak­tion. Der Niederöste­rreicher gilt als einer der erfahrenst­en Abgeordnet­en, der sich als Fachmann zudem in der Eurokrise profiliert­e. Und Karas, der wie Kurz als Chef der Jungen ÖVP seine Karriere begann, dann Generalsek­retär war, ist vor allem „Proeuropäe­r“. 2009 hat er der ÖVP mehr als 106.000 Vorzugssti­mmen gebracht – so viele wie noch kein Politiker zuvor.

Seit dem Angriff von Vilimsky auf ihn rätseln daher viele in der ÖVP, was das zu bedeuten habe; ob Karas auf der Abschussli­ste von ÖVP-Chef Kurz stehe und nicht mehr Spitzenkan­didat sein werde. Auffällig war auch, dass der Delegation­schef zwar von den EU-Abgeordnet­en der ÖVP unter-

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