Der Duft der Stadt Innsbruck
Tiroler Forscher haben den weltweit ersten chemischen Fingerabdruck flüchtiger organischer Verbindungen (VOCs) einer Stadt erstellt. Laut den hochgerechneten Daten aus Innsbruck dürfte deren Gesamtmenge global deutlich höher sein als bisher angenommen.
Innsbruck/Wien – Im Vergleich zu früher sind österreichische Großstädte nachgerade geruchsarm: Wie der Kulturhistoriker Peter Payer in seinem Standardwerk Der Gestank von Wien (1997) eindrücklich rekonstruierte, roch es in früheren Jahrhunderten äußerst intensiv nach Pferdemist und menschlichen Fäkalien, um nur zwei der wichtigeren Duftbestandteile herauszugreifen.
Heute braucht man schon eine gute Nase, um den Duft einer Stadt zu erriechen – außer man wohnt etwa in Ottakring in der Nähe der Manner-Fabrik und der Ottakringer Brauerei. Oder man verfügt über sensorische Hilfsmittel – so wie ein Innsbrucker Forscherteam um Thomas Karl, das damit die Düfte von Innsbruck einfing.
Als ultrafeine elektronische Spürnase diente ein spezielles Protonentausch-Transfer-Reaktions-Massenspektrometer, das Spurengase in geringsten Konzentrationen erschnüffeln kann. Damit maßen die Wissenschafter am Unicampus nahe der Innsbrucker Innenstadt von Juli bis Oktober 2015 laufend eine Vielzahl von flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs). Mithilfe von statistischen Methoden konnten sie aus den Messdaten auf einzelne Emissionsquellen schließen.
„Eine stinknormale Stadt“
Da viele der Spurengase auch Geruchsstoffe sind, findet sich in diesen Daten auch der charakteristische Geruch der Stadt wieder. „Innsbruck ist in dieser Hinsicht eine stinknormale Stadt“, sagt Thomas Karl vom Institut für At- mosphären- und Kryosphärenwissenschaften. „Es sind vor allem Spuren der Lebensmittelzubereitung – vom Kaffeerösten bis zum Backen – sowie Lösungsmittel, die den Geruch der Stadt ausmachen. Die Emissionsquellen reichen von der Bäckerei bis zur Klinik.“
Den Forschern der Uni Innsbruck ging es aber natürlich weniger darum, das Duftbouquet ihrer Landeshauptstadt zu charakterisieren, als darum, die Emissionen zu vermessen und zu ermitteln, ob die Umweltgesetzgebung etwa beim Verkehr oder bei giftigen Lösungsmitteln gegriffen hat. Tatsächlich fanden sich in den Tiroler Daten Kohlenwasserstoffe wie Benzol oder Toluol nur selten.
Dem hohen Anteil sauerstoffhaltiger Verbindungen an den urbanen Emissionen Innsbrucks nach zu schließen, dürfte man die Gesamtmenge der vom Menschen erzeugten VOCs global deutlich unterschätzt haben. Diese scheint doppelt so hoch zu liegen wie bisher angenommen. Und das wiederum hat Auswirkungen auf Feinstaub, Wolkenbildung – und auf das regionale und globale Klima.