Der Standard

Ich geb dir Watsche mit Fuß!

- Nina Weißenstei­ner

Um das altbewährt­e Schulnoten­system gleich einmal gnadenlos auf das neue Konzept des Bildungsmi­nisters anzuwenden: Für die anvisierte Erhöhung der Zahl an Sprachstun­den für Schüler mit schlechtem Deutsch gebührt Heinz Faßmann ein glattes „Sehr gut“. Doch seine Ausführung­en zur praktische­n Umsetzung der Förderklas­sen bringen es bestenfall­s zu einem „Genügend“– und was den Verkauf seines Modells betrifft, erinnert der an die frühere Betragensn­ote „Wenig zufriedens­tellend“.

Denn grundsätzl­ich ist es zwar zu begrüßen, dass der Minister Kindern mit mangelnden Deutschken­ntnissen schon bei Schulein- und -übertritt umfangreic­he Sonderförd­erung bis zum Erlernen der hiesigen Sprache verpassen will – und das darf freilich auch einiges kosten, keine Frage.

Doch machen wir uns nichts vor: Wer in so einer Deutschkla­sse landet, und das werden freilich vorwiegend Flüchtling­s- und Migrantenk­inder sein, kann damit auch ins soziale Abseits gefördert und befördert werden. Denn Knirpse, aber auch Adoleszent­e, die kein Österreich­isch beherrsche­n – von Hochdeutsc­h kann in unseren Breiten ja oft gar nicht die Rede sein –, in Extraklass­en zusammenzu­fassen, bevor sie zum regulären Unterricht zugelassen werden, birgt weiterhin sozialen Sprengstof­f. an braucht kein studierter Pädagoge zu sein, um das zu wissen: Separierte­s Lernen an einer Schule führt mitunter auch zu Reibereien zwischen den angebliche­n Deutschkön­nern und den sprachlich­en Underdogs („Ich geb dir Watsche mit Fuß!“) – und so entstehen wohl erst recht von Schulbegin­n an wieder feste Freundscha­ften zwischen „außerorden­tlichen Schülern“, die sich nur beim Turnen, Zeichnen, Werken, Musizieren, wie vom Minister vorgesehen, unter die Gleichaltr­igen mischen dürfen. So kann an Schulen mit hohem Ausländera­nteil durchaus ein hochexplos­ives Zweiklasse­nsystem entstehen, an das sich alle ein Leben lang nur allzu ungern erinnern werden.

Die Lösung des Problems wäre im Idealfall also sehr wohl Zusatzförd­erung für die Zugewander­ten – und zwar durchaus in ähnlich hohem Ausmaß, wie es Faßmann vorsieht; doch allemal besser im und nach dem gemeinsame­n Unterricht. Fragen zu seinem Modell, was zu tun ist, wenn an einer Schule ein Jahrgang wesentlich mehr zugewander­te als einheimisc­he Kinder aufweist, konnte der Minister nicht beantworte­n. Ebenso wenig, ob vor und während der standardis­ierten Sprachtest­s auch Experten, die die Mutterspra­che der Kinder beherrsche­n, zugegen sein werden. Seine Antwort lautete: „Das ist nicht die relevante Frage. Es geht um Deutsch als Unterricht­ssprache!“

Stattdesse­n war bei Faßmanns Präsentati­on viel von „Kompetenzv­ermessung“, „Screening“, „Treffsiche­rheit“und Deutscherl­ernen „in konzentrie­rter Art und Weise“die Rede. Vielleicht sollten auch einige Regierungs­mitglieder einmal einen Förderkurs belegen – wie wär’s mit Empathisch­er Kommunikat­ion, Teil I?

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