Der Standard

Viel Applaus, wenig Chance

- Eric Frey

Österreich ist nicht der einzige EU-Staat, der der Kernenergi­e abgeschwor­en hat. Aber er ist der einzige, der den europaweit­en Kampf gegen die Nutzung von Atomkraft als zentrales nationales Interesse definiert. In seinem Rechtsstre­it mit der EU-Kommission und jenen Mitgliedss­taaten, die neue Atomkraftw­erke bauen wollen, steht die Regierung in Wien daher ziemlich allein da.

Das spricht nicht gegen die österreich­ische Vorgangswe­ise, zuerst gegen die Brüsseler Entscheidu­ng, die Beihilfen für das britische AKW Hinkley Point C zu bewilligen, vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f zu klagen und dies nun beim ungarische­n AKW Paks zu wiederhole­n. Die beiden Causen unterschei­den sich zwar in der Struktur der staatliche­n Hilfen, aber Österreich­s Argumentat­ion ist die gleiche: Neue Atommeiler sind nicht im europäisch­en Interesse, auch wenn damit CO -Emissionen gesenkt werden. Denn sie bremsen auch den Ausbau erneuerbar­er Energien. Und die Sonderstel­lung des Euratom-Vertrags, den jedes EULand unterschri­eben hat, entschuldi­gt kein Abweichen von den sonst so strikten Kriterien für staatliche Beihilfen.

Österreich­s juristisch­e Position ist recht stark, die politische viel weniger. Zwar sind weder London noch Budapest heute mächtige Gegenspiel­er – die Briten auf dem Weg hinaus, die Ungarn isoliert –, die Kommission ist dies aber sehr wohl. Und wenn die Hüterin der Verträge einmal eine Beihilfe aus noch so fragwürdig­en Gründen bewilligt hat, ist es unwahrsche­inlich, dass ihr der EuGH in den Rücken fällt. Die Chancen auf einen Sieg sind gering.

Aber Österreich­s Vorgehen ist ohnehin vor allem innenpolit­isch motiviert: Klagen gegen Atomkraft sind höchst populär. Das macht diesen Kampf nicht weniger legitim. Allerdings wäre Österreich­s moralische Position stärker, wenn man die eigenen klimapolit­ischen Hausaufgab­en nicht so sträflich vernachläs­sigen würde.

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