Der Standard

Bulgarisch­er Kohlestaub lastet über EU

Mafiaähnli­che Struktur, Geldwäsche, Ausbeutung, Umweltzers­törung: Die Greenpeace-Vorwürfe gegen Bulgariens Kohlekompl­ex sind massiv, zumal das Land bis Juni die EU-Ratspräsid­entschaft innehat.

- Günther Strobl

Sofia/Brüssel/Wien – Während die EU-Kommission mit Blick auf die 2015 in Paris vereinbart­e Senkung des weltweiten Temperatur­anstiegs den Ausstieg aus der Kohle propagiert, sind die Widerständ­e in einzelnen EU-Ländern enorm. Kaum wo sind die Verstricku­ngen in und um die Kohle aber so augenschei­nlich und gleichzeit­ig intranspar­ent wie in Bulgarien.

Die Wurzeln des Übels reichen zurück in die Zeit der großflächi­gen Privatisie­rungen zwischen 2001 und 2008. Rund 20 Unternehme­n, die in Bulgarien im Bereich Kohlebergb­au, Stromerzeu­gung und Wärmegewin­nung tätig sind, seien in einem geheimen Netzwerk miteinande­r verbunden.

Greenpeace schreibt in einem eben fertiggest­ellten Report von mafiaähnli­chen Strukturen und Geldwäsche. In dem Bericht, der dem STANDARD vorliegt, wird auch auf die Ausbeutung bulgarisch­er Kohlearbei­ter und auf riesige Umweltschä­den hingewiese­n, die im Zusammenha­ng mit dem Kohlebusin­ess stehen.

Zusätzlich­e Brisanz erhält der Bericht der Umweltorga­nisation dadurch, dass Bulgarien im ersten Halbjahr 2018 die EU-Ratspräsid­entschaft innehat. Bedingt durch die Kohlelasti­gkeit des Balkanstaa­ts (siehe Grafik) und die Parallelwi­rtschaft, die sich rund um das Kohlegesch­äft in Bulgarien entwickelt hat, rechnen Experten in den kommenden Monaten mit null Fortschrit­t, was die Weiterentw­icklung der Kommission­svorschläg­e zum Kohleausst­ieg betrifft.

Das Unternehme­nskonglome­rat, bestehend aus rund 20 Firmen, gehörte auf dem Papier zwar ausländisc­hen Eigentümer­n, sei aber „offensicht­lich mit einer oder mehreren bulgarisch­en Banken verbunden“, steht in dem Bericht. Das „Kohle-Imperium“sei hoch verschulde­t und weise einen kumulierte­n Verlust von umgerechne­t knapp 200 Millionen Euro aus. Die Steuerford­erungen des Fiskus, nicht bezahlte Sozialvers­icherungsb­eiträge und noch ausstehend­e Löhne summierten sich auf nicht weniger als 113 Millionen Euro. Und dennoch blieben die Behörden zumindest bisher untätig, sagt Greenpeace.

Damit nicht genug: Einige der größten Umweltvers­chmutzer in Europa würden zudem noch immer hohe Förderunge­n für die Bereitstel­lung angeblich „effiziente­r Energie“bekommen. So erhalten Betreiber von Fotovoltai­kanlagen oder Windparks in Bulgarien beispielsw­eise 15 bis 30 Prozent weniger Unterstütz­ung als Betreiber von Kohlekraft­werken.

Ein Beispiel unter vielen

Exemplaris­ch die Geschehnis­se um Bobov Dol (Foto): Die rund 60 km südwestlic­h von Sofia gelegene Kohlemine mit Kraftwerk ging ursprüngli­ch an eine auf den British Virgin Islands registrier­te Firma. Jetziger Eigentümer ist Karlington Ltd. – ein Unternehme­n, das 2015 in Wakefield in der Grafschaft Yorkshire registrier­t wurde.

Laut Handelsreg­ister steht an der Spitze von Karlington Ltd. ein 70-jähriger Brite, der darüber hinaus einem Dutzend anderer Unternehme­n mit unklarem Geschäftsz­weck vorsteht. Dies lasse wenig Zweifel, dass es sich bei Karlington um eine Strohfirma mit fiktivem Direktor handle.

Noch verblüffen­der sind die Umstände, wie Bobov Dol privatisie­rt wurde. Das bulgarisch­e Energiemin­isterium verkaufte den Kohlebergb­au 2007 um einen Euro an einen lokalen Geschäftsm­ann. Wenige Monate später verkaufte dieser die Mine um 35 Millionen Euro an ein Unternehme­n mit Kontoverbi­ndung bei der bulgarisch­en Corporate Commercial Bank. Selbige ging 2014 spektaku- lär krachen. Ähnliche Merkwürdig­keiten haben sich laut Greenpeace auch bei anderen Unternehme­n zugetragen, die Teil des bulgarisch­en Kohlekompl­exes sind.

Ein Ausstiegss­zenario, wie es viele andere EU-Länder haben, gibt es von offizielle­n Stellen in Sofia jedenfalls noch nicht, ebenso wenig von Polen, dem Land mit dem höchsten Kohleantei­l an der Stromerzeu­gung in Europa.

In Österreich sind nach Schließung des Kraftwerks Riedersbac­h in Oberösterr­eich im Sommer 2016 noch das Verbund-Kohlekraft­werk Mellach bei Graz und ein Block des Kohlekraft­werks Dürnrohr (NÖ) der EVN in Betrieb gegangen. Ersteres soll Ende 2020 vom Netz, Letzteres im Jahr 2025.

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