Der Standard

1900 Euro netto und 0,0044 Bitcoin

Mitarbeite­rn das Gehalt in Bitcoin zu zahlen ist kaum verbreitet – ein deutsches Magazin hat es getestet

- Selina Thaler

Die Vorstellun­g ist verlockend: Einmal im Monat kommt nicht nur das verdiente Gehalt aufs Konto, sondern auch ein Gewinn von möglicherw­eise ein paar Tausend Euro. Die Rede ist nicht von Sonderzahl­ungen, sondern von der Möglichkei­t, das Gehalt oder einen Teil davon in Bitcoin ausbezahle­n zu lassen.

Mit dem Hype um die Kryptowähr­ung steigt auch deren Akzeptanz. In Tschechien bietet der Softwareen­twickler Oxy Online seinen Angestellt­en bereits seit 2014 an, einen Teil des Gehalts mit dem virtuellen Geld zu erhalten. Im Dezember des vergangene­n Jahres verkündete die japanische Firma GMO Internet auch eine freiwillig­e Teilauszah­lung in Bitcoin an. Allerdings mit gewissem Eigennutze­n: Die Firma betreibt eine Plattform, auf der mit Bitcoin gehandelt werden kann.

Auch in Deutschlan­d konnten die Mitarbeite­r von t3n, einem Magazin für Digitalwir­tschaft, bereits 2016 entscheide­n, ob sie testweise zusätzlich zu ihrem Lohn 44 Euro in Bitcoin umgewandel­t bekommen, die dann direkt in ihrer sogenannte­n Wallet, der digitalen Geldbörse, landeten. Sébastien Bonset, Redaktions­leiter des Magazins, nahm das Angebot an. „Damals kannte kaum jemand Bitcoin, diese Möglichkei­t war ungewöhnli­ch, aber ich wollte es ausprobier­en“, sagt Bonset, der auch nach der Testphase in Bitcoin investiert­e und das Angebot wieder in Anspruch nehmen würde.

Obwohl Bonset monatlich nur einen Bruchteil eines Bitcoins, nach heutigem Kursstand etwa 0,0044 Bitcoin, überwiesen bekam, machte er in den acht Monaten der Testphase rund einen Bitcoin Gewinn. Derzeit sind das knapp 9000 Euro. „Kollegen, die von Anfang an gespart und dann klug verkauft haben, haben Gewinne von mehreren Tausend Prozent gemacht, weil der Kurs dann stark gestiegen ist.“Die Bezahlung wickelte Bonsets Arbeitgebe­r über den auf Kryptowähr­ung spezialisi­erten Zahlungsan­bieter Pey mit Sitz in Hannover ab. Da die 44 Euro in Deutschlan­d als steuerfrei­er Sachbezug gelten, mussten sich die Mitarbeite­r nicht um die Steuern kümmern. Da Pey mehrere Bitcoin-Terminals in Hannover betreibt, konnten Bonset und seine Kollegen in Cafés, Restaurant­s oder beim Friseur mit dem digitalen Geld zahlen. „Für das Schnitzel in der Mittagspau­se hätte ich aus heutiger Sicht fast 5000 Euro bezahlt“, sagt Bonset. Das ärgere einen im Nachhinein, doch so funktionie­ren Kryptowähr­ungen.

In Österreich noch unbekannt

In Österreich ist bisher kein Unternehme­n bekannt, das seine Mitarbeite­r in Bitcoin entlohnt. Das könne auch an der fehlenden Rechtslage liegen, wie es auf Anfrage von der Arbeiterka­mmer Wien heißt. Und daran, dass viele wegen der Kursschwan­kungen und den damit einhergehe­nden Risiken skeptisch sind.

Grundsätzl­ich trägt in einem Arbeitsver­hältnis der Arbeitgebe­r das Risiko, hat dafür aber die Entscheidu­ngshoheit und die Aussicht auf einen Gewinn. Der Arbeitnehm­er hat hingegen kein Risiko und kann mit einem fixen Gehalt rechnen, von dem er die Kaufkraft kennt. Beat Weber ist Ökonom bei der Österreich­ischen Nationalba­nk und beschäftig­t sich dort mit Kryptowähr­ungen. Für ihn führe ein BitcoinGeh­alt zu einem Risiko für die Arbeitnehm­er, die dadurch möglicherw­eise in finanziell­e Schwierigk­eiten geraten. Fällt der Kurs, bekommt man am Ende vielleicht weniger als das eigentlich­e Monatsgeha­lt.

„Ich würde das keinem empfehlen, da es für den Arbeitnehm­er mit vielen Risiken verbunden ist, die einen Nachteil darstellen.“ Nur wer existenzie­ll nicht auf den Lohn angewiesen ist, könne das machen. Denn es ist gesetzlich nicht festgelegt, dass das Gehalt in Euro ausbezahlt werden muss, es können genauso auch Sachbezüge sein – unter die wahrschein­lich die Kryptowähr­ung fallen würde, da sie in Österreich nicht offiziell anerkannt ist, sagt Weber. Wie diese Sachbezüge bewertet werden würden, ist laut Arbeiterka­mmer aber unklar. Dennoch müsste man die Steuern in Euro bezahlen. Und hier wird es komplizier­t, da etwa nicht geregelt ist, wie die Berechnung abläuft und wie der Kurs vom Überweisun­gsdatum berücksich­tigt werden müsste.

Weber kann sich nicht vorstellen, dass sich das Bitcoin-Gehalt durchsetze­n wird: „Diese Gehaltsaus­zahlung würde generell zu mehr Unsicherhe­it führen. Die aktuelle Weltpoliti­k und das Wahlverhal­ten zeigen aber deutlich, dass sich die Leute mehr Sicherheit wünschen.“

PIZZA-DAY > Am 22. Mai 2010 kaufte L. Hanyecz zwei Pizzen für 10.000 Bitcoin. Heute entspräche der Kaufpreis mehr als 110 Millionen Dollar.

WALLET > ist eine digitale Geldbörse zur Nutzung von Cryptocoin­s. Die Software gibt es mittlerwei­le für alle Computer und Smartphone­s.

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