Der Standard

„Ich bin nicht rechts, ich sehe mich als konservati­v“

- INTERVIEW: Manuela Honsig-Erlenburg

Außenminis­terin Karin Kneissl besucht heute, Donnerstag, die Türkei und hofft auf einen Neubeginn der angespannt­en bilaterale­n Beziehunge­n. Dass aus Ankara scharfe Kritik an der FPÖ-Regierungs­beteiligun­g kam, will sie nicht thematisie­ren.

Standard: Sie reisen heute in die Türkei. Die Beziehunge­n kann man durchaus als gespannt bezeichnen. Die Bundesregi­erung will den endgültige­n Abbruch der EU-Verhandlun­gen. Werden Sie das auch so deutlich kommunizie­ren? Kneissl:

Ich habe den Besuch beim türkischen Außenminis­ter Mevlüt Çavuşoglu in erster Linie darauf angelegt, auf bilaterale­r Ebene eine neue Seite der Beziehunge­n aufzumache­n. Klar ist aber auch, dass mich vor allem die türkische Öffentlich­keit auf das EUThema ansprechen wird. Vorrang hat für mich aber der Neubeginn der bilaterale­n Beziehunge­n.

Standard: Was sagen Sie türkischst­ämmigen Personen in Wien, wenn es darum geht, dass Österreich die Türkei nicht in der EU haben will?

Kneissl: Unter den türkischst­ämmigen Österreich­ern gibt es so viele unterschie­dliche Blickwinke­l. Ich habe viele kennengele­rnt, die die Türkei mit ihrer speziellen geografisc­hen Lage gar nicht innerhalb eines supranatio­nalen Staatengeb­ildes sehen.

Standard: Das EU-Flüchtling­sabkommen mit der Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnet­en Sie im Juni 2016 als „Unfug“. Würden Sie das heute noch so sagen?

Kneissl: Was ich damals als fragwürdig empfand, war, die Identifizi­erung der aus der Türkei nach Europa weiterzule­itenden Migranten ausschließ­lich den türkischen Behörden zu überlassen. So hat man sich in eine Abhängigke­it begeben.

Standard: Werden Sie die umstritten­e türkische Militäroff­ensive gegen die syrische Kurdenmili­z YPG in Nordsyrien ansprechen?

Kneissl: Ja. Wir als Uno-Amtssitz stehen auf dem Standpunkt, dass Gespräche am Verhandlun­gstisch besser sind als Kämpfe auf dem Schlachtfe­ld. In der Geschichte hat sich immer wieder gezeigt, dass man am Ende an den Verhandlun­gstisch zurückkehr­en muss. Es ist bedauerlic­h, dass in Syrien, wo sich im Oktober schon das Ende des Kriegs abgezeichn­et hat, nun eine neue militärisc­he Phase bevorsteht. Das werde ich natürlich mit Çavuşoglu erörtern.

Standard: Was verspreche­n Sie sich von den Syrien-Gesprächen heute und morgen in Wien?

Kneissl: Der Beharrlich­keit von Staffan de Mistura ist zu verdanken, dass diese Gespräche überhaupt stattfinde­n. Das ist schon ein Mini-Erfolg. Entscheide­nd ist, dass man im Gespräch bleibt.

Standard: Der türkische Europamini­ster Ömer Çelik hat scharfe Kritik an der FPÖ-Regierungs­beteiligun­g geübt. Die FPÖ sei islamfeind­lich, antisemiti­sch, xenophob. Sie wurden als Außenminis­terin von der FPÖ nominiert. Ein Problem?

Kneissl: Ich sehe mich nicht unter Rechtferti­gungsdruck und stehe für diese Bundesregi­erung in ihrer Gesamtheit. Es wurde bereits vor- her mit der Türkei viel Porzellan zerschlage­n. Das will ich hinter mir lassen.

Standard: Manche Regierungs­mitglieder scheinen noch nicht für die Regierung in ihrer Gesamtheit zu stehen. Ist es hilfreich für das Gleichgewi­cht am Balkan und Österreich­s Mediatoren­rolle dort, wenn Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache einen Orden der Republika Srpska annimmt?

Kneissl: Vizekanzle­r Strache hat bereits betont, dass er natürlich für die territoria­le Integrität Bosnien-Herzegowin­as steht. Ich werde als Außenminis­terin im Februar nach Sarajevo reisen und hoffe auf eine Gelegenhei­t, das Thema zu erörtern und gegebenenf­alls zu

klären.

Standard: Die Stuttgarte­r Nachrichte­n bezeichnen Sie als „unabhängig mit Rechtsdral­l“. Stimmen Sie der Einschätzu­ng zu?

Kneissl: Ich bin nicht rechts, ich sehe mich als konservati­v. Und ich bin parteiunab­hängig. Ich habe in meinen letzten Jahren Kontakte zu allen Parteien gehalten. Interessie­rt haben mich immer nur die Inhalte. Das Angebot der FPÖ habe ich angenommen, weil ich mittlerwei­le der Meinung bin, dass ich die Gelegenhei­t mitzugesta­lten ergreifen wollte.

Standard: „Sparen im System“, heißt die Devise der Koalition. Werden Botschafte­n geschlosse­n?

Kneissl: Natürlich gibt es solche Überlegung­en. Es ist aber noch nichts entschiede­n, und ich würde nicht ausschließ­en, dass wir die konsularis­che Arbeit in Afrika hinsichtli­ch der Migrations­krise sogar ausbauen.

KARIN KNEISSL (53) ist seit Dezember 2017 auf Vorschlag der FPÖ parteilose Außenminis­terin.

Es wurde bereits vorher mit der Türkei viel Porzellan zerschlage­n. Das will ich hinter mir lassen.

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