„Ich bin nicht rechts, ich sehe mich als konservativ“
Außenministerin Karin Kneissl besucht heute, Donnerstag, die Türkei und hofft auf einen Neubeginn der angespannten bilateralen Beziehungen. Dass aus Ankara scharfe Kritik an der FPÖ-Regierungsbeteiligung kam, will sie nicht thematisieren.
Standard: Sie reisen heute in die Türkei. Die Beziehungen kann man durchaus als gespannt bezeichnen. Die Bundesregierung will den endgültigen Abbruch der EU-Verhandlungen. Werden Sie das auch so deutlich kommunizieren? Kneissl:
Ich habe den Besuch beim türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoglu in erster Linie darauf angelegt, auf bilateraler Ebene eine neue Seite der Beziehungen aufzumachen. Klar ist aber auch, dass mich vor allem die türkische Öffentlichkeit auf das EUThema ansprechen wird. Vorrang hat für mich aber der Neubeginn der bilateralen Beziehungen.
Standard: Was sagen Sie türkischstämmigen Personen in Wien, wenn es darum geht, dass Österreich die Türkei nicht in der EU haben will?
Kneissl: Unter den türkischstämmigen Österreichern gibt es so viele unterschiedliche Blickwinkel. Ich habe viele kennengelernt, die die Türkei mit ihrer speziellen geografischen Lage gar nicht innerhalb eines supranationalen Staatengebildes sehen.
Standard: Das EU-Flüchtlingsabkommen mit der Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdogan bezeichneten Sie im Juni 2016 als „Unfug“. Würden Sie das heute noch so sagen?
Kneissl: Was ich damals als fragwürdig empfand, war, die Identifizierung der aus der Türkei nach Europa weiterzuleitenden Migranten ausschließlich den türkischen Behörden zu überlassen. So hat man sich in eine Abhängigkeit begeben.
Standard: Werden Sie die umstrittene türkische Militäroffensive gegen die syrische Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien ansprechen?
Kneissl: Ja. Wir als Uno-Amtssitz stehen auf dem Standpunkt, dass Gespräche am Verhandlungstisch besser sind als Kämpfe auf dem Schlachtfeld. In der Geschichte hat sich immer wieder gezeigt, dass man am Ende an den Verhandlungstisch zurückkehren muss. Es ist bedauerlich, dass in Syrien, wo sich im Oktober schon das Ende des Kriegs abgezeichnet hat, nun eine neue militärische Phase bevorsteht. Das werde ich natürlich mit Çavuşoglu erörtern.
Standard: Was versprechen Sie sich von den Syrien-Gesprächen heute und morgen in Wien?
Kneissl: Der Beharrlichkeit von Staffan de Mistura ist zu verdanken, dass diese Gespräche überhaupt stattfinden. Das ist schon ein Mini-Erfolg. Entscheidend ist, dass man im Gespräch bleibt.
Standard: Der türkische Europaminister Ömer Çelik hat scharfe Kritik an der FPÖ-Regierungsbeteiligung geübt. Die FPÖ sei islamfeindlich, antisemitisch, xenophob. Sie wurden als Außenministerin von der FPÖ nominiert. Ein Problem?
Kneissl: Ich sehe mich nicht unter Rechtfertigungsdruck und stehe für diese Bundesregierung in ihrer Gesamtheit. Es wurde bereits vor- her mit der Türkei viel Porzellan zerschlagen. Das will ich hinter mir lassen.
Standard: Manche Regierungsmitglieder scheinen noch nicht für die Regierung in ihrer Gesamtheit zu stehen. Ist es hilfreich für das Gleichgewicht am Balkan und Österreichs Mediatorenrolle dort, wenn Vizekanzler Heinz-Christian Strache einen Orden der Republika Srpska annimmt?
Kneissl: Vizekanzler Strache hat bereits betont, dass er natürlich für die territoriale Integrität Bosnien-Herzegowinas steht. Ich werde als Außenministerin im Februar nach Sarajevo reisen und hoffe auf eine Gelegenheit, das Thema zu erörtern und gegebenenfalls zu
klären.
Standard: Die Stuttgarter Nachrichten bezeichnen Sie als „unabhängig mit Rechtsdrall“. Stimmen Sie der Einschätzung zu?
Kneissl: Ich bin nicht rechts, ich sehe mich als konservativ. Und ich bin parteiunabhängig. Ich habe in meinen letzten Jahren Kontakte zu allen Parteien gehalten. Interessiert haben mich immer nur die Inhalte. Das Angebot der FPÖ habe ich angenommen, weil ich mittlerweile der Meinung bin, dass ich die Gelegenheit mitzugestalten ergreifen wollte.
Standard: „Sparen im System“, heißt die Devise der Koalition. Werden Botschaften geschlossen?
Kneissl: Natürlich gibt es solche Überlegungen. Es ist aber noch nichts entschieden, und ich würde nicht ausschließen, dass wir die konsularische Arbeit in Afrika hinsichtlich der Migrationskrise sogar ausbauen.
KARIN KNEISSL (53) ist seit Dezember 2017 auf Vorschlag der FPÖ parteilose Außenministerin.
Es wurde bereits vorher mit der Türkei viel Porzellan zerschlagen. Das will ich hinter mir lassen.