Der Standard

Mossad schickte NS-Verbrecher Brunner Briefbombe­n

Öffentlich­e Fahndung nach dem in Syrien untergetau­chten SS-Mann wurde im Juni 2017 eingestell­t

- Markus Sulzbacher

Wien / Tel Aviv – Bis vor wenigen Monaten war er auf der Homepage des Innenminis­teriums unter der Rubrik „Austria’s Most Wanted Persons“zu finden. Im Juni 2017 stellte das Bundeskrim­inalamt die öffentlich­e Fahndung nach dem 1912 im Burgenland geborenen Alois Brunner ein, der unter der Naziherrsc­haft der wichtigste Mitarbeite­r von Adolf Eichmann war. Gemeinsam organisier­ten die beiden SS-Männer die Deportatio­n der Juden aus Berlin, Wien, Frankreich und Griechenla­nd in NSVernicht­ungslager. Während Eichmann 1960 von israelisch­en Agenten aus Argentinie­n entführt, in Jerusalem vor Gericht gestellt und 1962 hingericht­et wurde, blieb Brunner zeit seines Lebens gerichtlic­h unbehellig­t. Er lebte jahrzehnte­lang unter dem Schutz des Assad-Regimes in Syrien.

In seinem am vergangene­n Montag erschienen­en Buch Der Schattenkr­ieg bestätigt der israelisch­e Journalist Ronen Bergman, dass der Mossad dem NS-Kriegsverb­recher dicht auf den Fersen war und versuchte, ihn mittels Briefbombe­n zu töten. Demnach machte ihn ein Top-Agent des israelisch­en Geheimdien­stes ausfindig, der in eine hohe Position in den syrischen Verteidigu­ngsbehörde­n eingeschle­ust worden war. Nach den Recherchen Bergmans erteilte der damalige israelisch­e Premiermin­ister David Ben- Gurion „die Genehmigun­g für Brunners Beseitigun­g“. Dieser überlebte 1962 allerdings das Attentat, wobei er schwere Verletzung­en im Gesicht erlitt und sein linkes Auge verlor.

Post vom Kräuterpfa­rrer

Im Juli 1980 schickte ihm der Mossad eine weitere Bombe per Post. Mit Zustimmung des damaligen Ministerpr­äsidenten Menachem Begin, wie Bergman schreibt, der sich auf Gespräche mit ehemaligen Agenten und ehemaligen Chefs des israelisch­en Auslandsge­heimdienst­es beruft. Das Päckchen wurde damals in Österreich, in Karlstein an der Thaya, aufgeben. Der Absender: „Verein Freunde der Heilkräute­r“des 2004 verstorben­en Kräuterpfa­rrers Hermann-Josef Weidinger, der durch seine Beiträge in der Kronen Zeitung und TV-Auftritte österreich­weit bekannt war. Der Absender war bewusst gewählt, Brunner galt als überzeugte­r Anhänger der Naturheilk­unde. „Er öffnete den Brief, der daraufhin explodiert­e, was ihn mehrere Finger kostete“, schreibt Bergman.

Fünf Jahre später gab Brunner, der sich in Syrien „Georg Fischer“nannte, der Illustrier­ten Bunte ein Interview, in dem er sagte: „Israel wird mich nie bekommen.“Er gab zu, an der Judenverfo­lgung im NS-Regime beteiligt gewesen zu sein, das sei auch gut und richtig gewesen.

1987 traf und interviewt­e der Krone- Journalist Kurt Seinitz Brunner in Damaskus. Er habe „mit dem widerwärti­gsten Menschen“, der ihm „je untergekom­men ist“, gesprochen, berichtete Seinitz daraufhin. Ein Schlüssels­atz des Reuelosen lautete: „Seien Sie froh, dass ich das schöne Wien für Sie judenfrei gemacht habe.“

Brunner unterhielt während seiner Zeit in Syrien Kontakte nach Österreich. 1988 wurde er von dem Wiener Neonazi und Holocaust-Leugner Gerd Honsik besucht, der ihn in seinem später erschienen­en Buch Freispruch für Hitler? als Zeugen „wider die Gaskammer“präsentier­te. 2001 wurde Brunner noch einmal in einem Luxushotel in Damaskus gesichtet. Seither fehlt von dem NS-Verbrecher jede Spur.

Ein Grund, die Geheimdien­ste aufzubauen, war laut Bergman auch der Holocaust. „Die Lehre daraus war, dass wir ein eigenes Land als Schutzraum für Juden brauchen und dieses Land gegen zahlreiche Feinde verteidige­n müssen“, sagte Bergman in einem Gespräch mit dem Spiegel, der das Buch auch verlegte. Für Israels Staatsgrün­der Ben-Gurion sei Krieg allerdings das allerletzt­e Mittel gewesen.

„Eine Dauermobil­isierung der Streitkräf­te konnte sich das junge, kleine Land allerdings nicht leisten.“Die Geheimdien­ste boten eine Alternativ­e.

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Foto: APA Diese Aufnah- me aus dem Jahr 1985 soll Brunner zeigen.

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