Der Standard

NÖ-Kulturpoli­tik: Verteile und herrsche

- Stefan Weiss

ANALYSE: St. Pölten – Bauernroma­ntik, Blasmusik und barocker Prunk? Ja, das ist Niederöste­rreich. Aber nicht ausschließ­lich. Denn das kulturelle Image, um das sich das Land seit Erwin Prölls Regentscha­ft bemüht hat, ist ein anderes: Fortschrit­tlich will man sein, offen und großzügig, furchtlos gegenüber dem Provokante­n oder gar Unverständ­lichen, das man nach der reinen Lehre des Populismus eigentlich zu scheuen hätte wie der Teufel das Weihwasser.

Unkenrufe am Stammtisch nahm Pröll in seinen 25 Jahren als Landeshaup­tmann mitunter in Kauf. Er hatte erkannt, dass Kulturpoli­tik, die auf das Zeitgenöss­ische setzt, nicht nur den überregion­alen Ruf des Landes verbessert und den Tourismus ankurbelt; Künstler und kritische Geister zu umarmen diente stets auch dem Machterhal­t. Denn nicht wenige dankten Prölls Spendierfr­eude (das Kulturbudg­et hatte er von 36 auf bis zu 170 Millionen gesteigert) mit offener Unterstütz­ung in Wahlkämpfe­n.

Kreative finden sich auch im Personenko­mitee von Prölls Nachfolger­in Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Sie hat wenig Grund, vom vorgezeich­neten kulturpoli­tischen Weg abzuweiche­n. Und kann es vorerst auch nicht. Denn Pröll hat mit seiner letzten Museumsoff­ensive Großprojek­te angestoßen, die über seine Amtszeit hinausgehe­n: Die Niederöste­rreichisch­e Landesgale­rie (Kunst vom Mittelalte­r bis in die Gegenwart) übersiedel­t von St. Pölten nach Krems, wo gerade um 35 Millionen Euro ein futuristis­cher Museumsneu­bau hochgezoge­n wird, der 2019 eröffnet werden soll.

In St. Pölten schaffte man dadurch Platz für ein Haus der Geschichte. Kaum verkündet, wurde es beeindruck­end schnell umgesetzt. Vor fünf Monaten konnten eine Dauerausst­ellung und eine Sonderscha­u zur Ersten Republik präsentier­t werden, 40.000 Besucher zählte man seither. Das ist nicht schlecht. Aus der Fachwelt waren Jubel und Anerkennun­g zu hören, vereinzelt aber auch harsche Ablehnung: Der Grazer Museologe Gottfried Fliedl etwa ortete im Falter „parteipoli­tische Penetranz“der ÖVP und kritisiert­e unter anderem ein Foto in der Dauerausst­ellung, das Erwin Pröll bei der Machtüberg­abe an Mikl-Leitner zeigt.

Abgesehen von derlei Eitelkeite­n gilt die Erinnerung­skultur Niederöste­rreichs in den letzten Jahren als vorbildlic­h. Im Rahmen von Kunst im öffentlich­en Raum entstanden beispielsw­eise mehrere NS-Gedenkstät­ten, die auch gegen ewiggestri­ge Widerständ­e durchgebox­t werden. Strategisc­h existiert ein klar definierte­r, mehrjährig­er Kulturentw­icklungspl­an. Die Nöku-Holding, die über 30 Kulturbetr­iebe strukturel­l zusammenhä­lt, hat einen dauerhafte­n Fördervert­rag mit Inflations­anpassung. Sinnvolle Maßnahmen, die die ÖVP im Bund bislang wenig interessie­rten.

Das NÖ-Kulturbudg­et für 2018 liegt bei 135 Millionen Euro, 1,5 Prozent der Gesamtausg­aben. Und anders als im schwarzbla­u regierten Oberösterr­eich denkt MiklLeitne­r nicht daran, es zu beschneide­n: „Ich bin Garant dafür, dass es zu keinen Kürzungen kommt“, sagt sie dem STANDARD. Transparen­z, ein Manko unter Pröll, will MiklLeitne­r verbessern, indem Kulturförd­erungen seit dem Vorjahr erstmals in die Transparen­zdatenbank eingetrage­n werden.

Im Wahlkampf versuchte Mikl-Leitner nun auch, das kulturpoli­tische Modell Pröll aktiv weiterzude­nken. Gelegen kam ihr das laufende Bewerbungs­verfahren um die Europäisch­e Kulturhaup­tstadt 2024. Während andere (Salzburg, Bad Ischl u. a.) noch überlegen, ließ Niederöste­rreich früh die Muskeln spielen und stellte sich an die Seite seiner Landeshaup­tstadt St. Pölten. Eine eigene GmbH wurde gegründet und 2,4 Millionen Euro allein für die Bewerbung bereitgest­ellt. Für wettbewerb­sverzerren­d hält das so mancher Mitbewerbe­r. Denn bis Ende 2018 sollten lediglich Vorabkläru­ngen getroffen und keine politisch beschlosse­nen Großinvest­itionen getätigt werden.

Für Johanna Mikl-Leitner ist die Vorgangswe­ise berechtigt, sie zeuge von „Profession­alität“und davon, „wie ernst an dieses Thema herangegan­gen wird“. Wo ein Wille, da ein Weg. Auch das ist Niederöste­rreich.

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