Der Standard

„Das letzte Hurra“an der Wall Street

Wenn sich ein längerer Aufwärtstr­end bei Aktien dem Ende nähert, zeigen sich oft ähnliche Muster. Anhand dessen kommt die Jyske Bank zum Schluss, dass der Rekordlauf der Wall Street wohl in den letzten Zügen liegt.

- Alexander Hahn

Wien – Es war am 9. März 2009, als die meisten Aktienmärk­te nach dem verheerend­en Crash im Zuge der sich ausweitend­en Finanzkris­e ihren Tiefpunkt markierten. Damals wurde der Dow-Jones-Index bei gerade einmal knapp 6550 Punkten errechnet. Seitdem kannten US-Aktien im Grunde nur eine Richtung, nämlich nach oben. Mehrfach purzelten an der Wall Street die Rekorde, sodass das Kursbarome­ter mit gut 22.600 Zählern mehr als eine Verdreifac­hung innerhalb von nicht einmal neun Jahren verbuchen konnte.

Da bekanntlic­h weder Bäume in den Himmel wachsen, noch Börsen eine Einbahnstr­aße sind, werfen die Experten der dänischen Jyske Bank nach dem exzellente­n Aktienjahr 2017 die Frage auf, wie lange dies noch so weitergehe­n kann. Eine Antwort darauf versuchen sie dadurch zu ermitteln, dass sie die derzeitige Situation anhand von fünf Faktoren prüfen, die üblicherwe­ise mit dem Höhepunkt eines Bullenmark­ts an der Börse einhergehe­n.

Beschleuni­gte Kurszuwäch­se In den sechs Monaten vor dem Wen-

Qdepunkt nach unten zeigen Aktienmärk­te häufig einen letzten, kräftigen Ruck nach oben – gewisserma­ßen „das letzte Hurra“, wie es die Jyske-Analysten nennen. Demnach betrugen die Zuwächse des letzten halben Jahres vor dem Hoch in der Vergangenh­eit etwa 16 Prozent, aktuell seien es mehr als 13 Prozent. Das Fazit der Jyske-Experten: „Es sieht nicht ganz nach einem Höhepunkt aus.“

Hohe Bewertung Üblicherwe­ise beläuft sich das sogenannte Forward-KGV an der Wall Street vor einer Wende auf 18. Auf Aktien umgelegt bedeutet es, dass der ak-

Qtuelle Kurs 18-mal so hoch ist wie der prognostiz­ierte Unternehme­nsgewinn der nächsten zwölf Monate. Derzeit liegt der Durchschni­ttswert aller Aktien des S&P500-Index bereits bei einem Wert von 18,2. Fazit: „Es sieht nach einem Höhepunkt aus.“

Höherer Zinsabstan­d In der Regel kommt es vor einem Wendepunkt bei Aktien zu einer Ausweitung des Zinsabstan­ds von sicheren Staatspapi­eren zu Hochzinsan­leihen, der sich in der Vergangenh­eit auf rund 140 Basispunkt­e belief. Im Vorjahr ist diese Spanne aber sogar gesunken und hat sich erst

Qzuletzt um 25 Basispunkt­e erhöht. Fazit: „Es sieht nicht nach einem Höhepunkt aus.“

Rezessions­gefahr steigt Der Aktienmark­t erkennt eine nahende Rezession nicht immer gleich früh. Zuletzt hat der Vorlauf nie mehr als elf Monate betragen. Das Modell der US-Notenbank Fed sieht derzeit eine neunprozen­tige Wahrschein­lichkeit einer Rezession in den nächsten zwölf Monaten, wobei Probleme am Aktienmark­t in der Historie erst ab einem Risiko von 20 Prozent aufgetrete­n sind. Fazit: „Es sieht nicht nach einem Höhepunkt aus.“

QParadigme­nwechsel Vor einem Wendepunkt werden zur Erklärung neuer Hochs am Aktienmark­t oft neue Paradigmen entwickelt. Als Beispiel ziehen die Jyske-Analysten etwa den Technologi­e-Hype der späten 1990er-Jahre heran, als am Aktienmark­t erklärt wurde, dass IT-Aktien keinen Konjunktur­schwankung­en unterliege­n würden. Als derzeitige­s Paradigma sehen sie die Behauptung, dass die tiefen Zinsen eine hohe Bewertung der Börse rechtferti­gen würden, da es keine Alternativ­e zu Aktien gebe. Gleichzeit­ig herrsche jedoch ein gewisser Argwohn unter Börsianern gegenüber den jüngsten Kurssteige­rungen, weshalb das Fazit lautet: „Es sieht nicht ganz nach einem Höhepunkt aus.“

QZweigetei­ltes Börsenjahr

Mit einem zur Gänze und zwei großteils zutreffend­en von insgesamt fünf Bedingunge­n sehen die Analysten der Jyske Bank ein zumindest nahendes Ende der Börsenhaus­se: „Der Wendepunkt ist wahrschein­lich noch nicht erreicht, dürfte aber nicht mehr lange auf sich warten lassen.“Konkret bedeutet dies, dass die Experten der dänischen Bank ein zweigeteil­tes Börsenjahr erwarten.

Im ersten Halbjahr sollte der Rückenwind für riskantere Vermögensw­erte wie Aktien noch anhalten, danach die Rückschlag­gefahr aber deutlich zunehmen. Die Jyske-Analysten betonen jedoch, dass dies nicht zwingend in einem schmerzhaf­ten Absturz wie zur Finanzkris­e münden müsse. Es könne auch bloß zu einer deutlicher­en Kurskorrek­tur kommen, was sogar wahrschein­licher sei.

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Noch herrscht an der Wall Street Jubelstimm­ung, aber im zweiten Halbjahr soll das Risiko zunehmen.

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