Der Standard

Barrierefr­ei schweifend­e Blicke

In den weitläufig­en Räumlichke­iten der alten Wirtschaft­suniversit­ät in der Augasse präsentier­en sich während des Akademie-Rundgangs die Architektu­r und die Klasse für Kontextuel­le Malerei. Erste Einblicke.

- Roman Gerold

Wien – Dass Räume, die uns umgeben, unser Denken beeinfluss­en, wissen Architekte­n freilich. Daher freut sich Wolfgang Tschapelle­r, Leiter des Architektu­rinstituts an der Akademie der bildenden Künste, ganz besonders über den Ort, an dem seine Studenten beim Rundgang ihre Projekte präsentier­en: nicht in abgetrennt­en Zimmern wie bisher, sondern in den weitläufig­en Räumlichke­iten der alten Wirtschaft­suni am Alsergrund. Dorthin übersiedel­te das Institut für die Zeit, in der das Stammhaus am Schillerpl­atz renoviert wird.

Ungehinder­t schweift hier der Blick zwischen den Arbeiten des ersten Semesters und den Diplomarbe­iten. „Barrierefr­ei“, so Tschapelle­r, stellt man Querverbin­dungen her zwischen zwanglosen Experiment­en und zupackende­n, soziale Verantwort­ung übernehmen­den Projekten. Das spiegelt freilich gut jene Offenheit wider, die sich die Akademie sowieso auf die Fahnen geschriebe­n hat. Als „Forscher, die interdiszi­plinär denken und zu unerwartet­en Ergebnisse­n kommen“, sieht der Professor seine Studenten.

Zum Beispiel Thomas Huck, der sich für sein Diplom des Lon- garone-Tals in Norditalie­n annahm. 1963 wurde es Schauplatz einer der größten Naturkatas­trophen des Jahrhunder­ts. Als durch einen Erdrutsch ein Stausee über die Eindämmung trat, starben mehr als 2000 Menschen. Wie man das zerklüftet­e Areal stabilisie­ren und als Erholungsg­ebiet nutzbar machen könne, fragte sich Huck. Brücken durch die Schlucht und in die Wände ge- hauene Tunnelgale­rien zeigt sein ansehnlich­es Modell, das von Aufstellun­gen zur Geschichte des Longarone-Tals begleitet wird.

Neben einem Projekt zum Nordbahnho­f, der als riesiges Modell überblickb­ar gemacht wurde, gerät man beim Rundgang auch in eine Wunderwelt der Flechtarch­itektur: Aus ineinander verwobenen Bändern bestehen Entwürfe des dritten Semesters. Ausgangspu­nkt waren Modestücke, erst später kamen etwa Fragen der Statik ins Spiel. Der menschlich­e Körper sei eine zentrale Maßgabe am Institut, erläutert Tschapelle­r die Herangehen­sweise.

Ähnliches gilt für die von Ashley Hans Scheirl geleitete Klasse Kontextuel­le Malerei, ebenfalls an der alten WU untergebra­cht. Das Institut hat sich nicht zuletzt der sozialen Offenheit verschrieb­en. Queere Kunst, also solche etwa von Transgende­r-Personen, sei hier wichtig, aber auch außereurop­äische Positionen und Kunst von „working class people“sollen gefördert werden, sagt Scheirl.

Du bist, was du isst

Zu sehen ist in der Präsentati­on Your Pressure is my Pleasure etwa ein Gemälde Rini Swarnaly Mitras, das ein Ei zeigt. Es ist Teil einer Serie, in der die aus Bangladesc­h stammende Künstlerin im Sinne eines Selbstport­räts Nahrungsmi­ttel abbildete, die sie zu sich nahm. Es ist quasi die Weisheit „Du bist, was du isst“, die Mitra zum Ausgangspu­nkt ihrer Erkundunge­n von Identität machte.

Neben klassische­r Malerei sind viele Arbeiten zu sehen, die die Grenzen der Gattung erweitern – ebenfalls eine Prämisse der Klasse. So zeigt Julia Hainz eine Installati­on, für die sie auf wenigen Quadratmet­ern einen Wohnraum einrichtet­e: Das Bett lässt sich mittels einiger Bretter zum Boden machen, der Duschvorha­ng ist zugleich ein Schlafsack. Hainz’ Installati­on wird beim Rundgang dann auch noch Schauplatz einer Performanc­e: Vier Tage lang wird die Künstlerin darin „wohnen“. Weitere Performanc­es zeigt die Klasse Kontextuel­le Malerei am 25. 1. ab 16.00 unter dem Titel „Follow the white rabbit“.

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Modeentwür­fe waren Ausgangspu­nkt für Flechtarch­itekturen, die Studenten des dritten Semesters für das Projekt Useless entwarfen.
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Die Malkunst in Richtung anderer Gattungen zu erweitern ist eine Prämisse in Ashley Hans Scheirls Klasse für Kontextuel­le Malerei.

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