Der Standard

Farbe bekannt und gewonnen: Ellen, 60

Hollywoods einflussre­ichste Lesbe feiert einen runden Geburtstag. Vor 21 Jahren manövriert­e sich Ellen DeGeneres durch ihr Outing nur vorübergeh­end selbst ins Out. Das Bild Homosexuel­ler in Fernsehser­ien hat sich seither um 180 Grad gedreht.

- Doris Priesching

Wien – Outings in Fernsehser­ien sehen heute anders aus. Ein Beispiel: Zwei ältere Damen sitzen in einem Restaurant und warten auf ihre Ehemänner. Die Ladys mögen einander nicht sonderlich, aber wie es so ist, beim Warten kommt man ins Reden, und die beiden rätseln, welchen Anlass der offizielle Termin haben könnte. „Bestimmt wollen sie uns sagen, dass sie sich zur Ruhe setzen“, mutmaßt die eine, die andere nickt heftig. Es kommt, wie im Fernsehen so oft, anders. Nach dem Restaurant­besuch haben nämlich weder Grace noch Frankie Ehemänner, dafür haben die Männer einander. Nach zwanzig Jahren verschaffe­n sich Robert und Sol durch ihr Outing Erleichter­ung und damit den Zuschauern einen Knalleffek­t am Beginn, der sich gewaschen hat.

Homos im Mainstream

Die Ausgangssi­tuation der großartige­n Comedyseri­e Grace and Frankie mit Jane Fonda, Lily Tomlin, Charlie Sheen und Sam Waterston zeigt recht deutlich, wie sich die Möglichkei­ten vervielfäl­tigt haben, homosexuel­le Lebenswelt­en im Mainstream­fernsehen im Jahr 2018 darzustell­en.

Vor 21 Jahren lief das noch anders ab. „Ich habe so Angst, endlich Farbe zu bekennen“, sprudelte es aus der Buchhändle­rin Ellen Morgan, als sie endlich Farbe bekannte. Zwei Folgen der Sitcom Ellen brauchte es im April 1997, bis es endlich raus war: „Ich bin lesbisch“, sagte Ellen Morgan / Ellen DeGeneres das erste Mal unabsichtl­ich ins Mikro der Abflughall­e des Fluges 358 nach Pittsburgh, wahrschein­lich am Flughafen New York JFK. Und was heute niemanden, wirklich niemanden mehr wirklich kratzt, war damals der Anfang eines vorübergeh­enden Endes. Dass Ellen DeGeneres, die am Freitag ihren 60. Geburtstag feiert, heute zu den einflussre­ichsten Hollywoodg­rößen zählt, war da nicht absehbar.

Zunächst ging es durch ein tiefes Tal. 44 Millionen sahen das Outing, und dann war die Luft draußen: Die Serie verlor Schwung und Zuschauer. Mehr noch als das versetzte Homophobie in kapitalist­ischen Systemen der Serie den Todesstoß: Etliche Werbekunde­n kündigten ihre Verträge. Der Sender ABC beendete 1998 die Show.

Ellen DeGeneres war geknickt, gab aber nicht auf. Seit 2003 ist die in Louisiana geborene Tochter einer Sprachther­apeutin und eines Versicheru­ngsagenten Gastgeberi­n des Nachmittag­stalks Ellen – The Ellen DeGeneres Show. Die Frau mit den bestsitzen­den Anzügen Hollywoods moderierte Emmy-, Grammy- und OscarVerle­ihung, ist Trägerin von Barack Obamas Freiheitsm­edaille und nimmt selbst Donald Trump mit Humor. Etwa als sie zuletzt „Trump’s best moments“aufzählte: der Präsident, wie er einem Elfjährige­n mit den Worten „great job“fürs Rasenmähen im Weißen Haus dankt. Und aus.

Dazwischen schreibt sie Bücher, leiht Disneys Fisch Dorie ihre Stimme, betreibt eine eigene Produktion­sfirma und verkauft Spielzeug für Haustiere. Ihr Vermögen wird auf 330 Millionen Dollar geschätzt. Seit neuestem moderiert DeGeneres die Spieleshow Ellen’s Game of Games.

Im Mainstream-TV sind schwule und lesbische Darsteller ebenso angekommen. DeGeneres war Vorreiteri­n, bis dahin spielten Homosexuel­le entweder Deppen oder Trantüten. Nicht zuletzt das epische Serienfern­sehen sorgte für maßgeblich­e Weiterentw­icklung, angefangen von Buffy, The Vampire Slayer, Six Feet Under, The Wire, forciert von The L-Word und Queer As Folks und ungeniert in die Jetztzeit gebracht etwa mit Orange Is The New Black oder zuletzt gar als Western in Godless.

Nach DeGeneres’ sexueller Orientieru­ng fragt heute niemand, und wenn man Gerüchte über Eheproblem­e mit Gattin Portia de Rossi als Teil der Klatschpre­ssenormali­tät anerkennt, dann ist tatsächlic­h kein Unterschie­d mehr in der Wahrnehmun­g von hetero und homo im Showbusine­ss auszumache­n. Ein Outing in Serie kratzt die Öffentlich­keit heute jedenfalls kaum. Congrats! pderStanda­rd. at/Etat

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Ellen DeGeneres wühlte vor mehr als 20 Jahren das amerikanis­che TV-Publikum durch ihr Outing in der Serie „Ellen“auf.

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