Der Standard

Lebensgesc­hichte(n)

- Michael Pekler

Zehn Tage lang hielt das kommunisti­sche Regime Polens seinen Tod geheim. Am 19. Oktober 1984 hatte der 37-jährige Priester Jerzy Popieluszk­o seine letzte Messe gehalten. Bei der Heimfahrt wurde er auf einer Landstraße von Offizieren der Staatssich­erheit entführt, gefoltert und ermordet, die verstümmel­te Leiche später aus der Weichsel geborgen. In seinen Predigten vor Solidarnoś­ćArbeitern hatte Popieluszk­o das Regime wiederholt scharf kritisiert. Zu seiner Beisetzung kam mehr als eine halbe Million Menschen – das Ende des Kommunismu­s in Polen war eingeläute­t.

Vergissmei­nnicht heißt die von Arte produziert­e 20-teilige Dokuserie von Jacques Malaterre, die der Kulturkana­l nach wie vor vereinzelt ausstrahlt ( Jerzy Popieluszk­o, Märtyrer in der Nacht auf Freitag) beziehungs­weise noch bis März online zur Verfügung stellt. Zwanzig (fast) vergessene Helden, so der Untertitel, im Porträt, Schicksale, die die europäisch­e Geschichte am Rande, aber doch entscheide­nd mitprägten.

Die Idee der halbstündi­gen Serie ist so einfach wie gut umgesetzt: Archivmate­rial, Zeitzeugen, Angehörige und Kommentar formen ein Erinnerung­sbild, das den nüchternen Lexikonein­trägen nicht zu vergessend­e Lebensgesc­hichten hinzufügt. Wie etwa Jacqueline Auriol (Testpiloti­n), René Dumont (Prophet) und Manolete (Kalif des Stierkampf­s). pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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