Der Standard

Fasching als Wettkampf

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Wenn Faschingsz­eit und Wahlkampf einander überschnei­den, wie es gerade in Niederöste­rreich passiert, ist die Frage, welches Geschehen wo einzuordne­n ist, nicht immer leicht zu beantworte­n. So handelt es sich bei der Tatsache, dass Bürgermeis­ter völlig unterschie­dlich darüber entscheide­n, welche Zweitwohns­itzer in ihren Gemeinden wählen dürfen, nicht um einen Beitrag zum närrischen Treiben, sondern um das Ergebnis einer ernstgemei­nten Wahlrechts­novelle.

Die schwierige Unterschei­dung von Spaß und Ernst überforder­t offenbar auch profession­elle Beobachter, denn anders ist es nicht erklärbar, warum manche Medien nicht über die Affäre rund um einen von der FPÖ gefälschte­n ÖVPWahlwer­be-Bus berichtet haben. Besagter Bus trägt die Aufschrift­en „LH Mikl-Leitner“und „Großes Herz für Zuwanderer“sowie Bilder der Landeshaup­tfrau, auf denen sie mit Männern posiert, die fast so orientalis­ch aussehen wie FPÖ-Spitzenkan­didat und SSDJ Udo Landbauer. Ein klassische­r Dirty-Campaignin­g-Betrug in Silberstei­n-Manier, der von der NÖ-FP sogar zugegeben wurde, ohne dass dies vielen V berichtens­wert erschien. ielleicht liegt das auch an einer durch den Wahlkampf der SPÖ Niederöste­rreich ausgelöste­n Verunsiche­rung, denn auch dieser wirkt, als wäre er von der Konkurrenz gefälscht. Die schamlos von einer HumanicWer­bung aus den 70ern gestohlene Kampagne schändet das Andenken an das Original durch die konsequent­e Verwechslu­ng der Begriffe „lustig“und „sinnfrei“, wobei die in der Präsentati­on des Spitzenkan­didaten einzig erkennbare Botschaft „Der hat nicht alle Schnabelta­ssen im Schrank“vermuten lässt, dass es sich auch hier um den Fake eines Mitbewerbe­rs handeln könnte.

Oder lässt sich das alles durch eine kompetitiv­e Sichtweise des Faschings erklären, die mittlerwei­le auch die Bundespoli­tik erfasst hat? Im Kampf um den Titel „Schabernac­k der Saison“wurde Franz Schnabl bereits von H.-C. Strache übertroffe­n. Dessen Behauptung „Bruno Kreisky würde heute FPÖ wählen“erinnert an die Prognose, dass Martin Luther King heute Donald Trump wählen würde. Oder um es mit einem auch für Strache intellektu­ell nachvollzi­ehbaren Beispiel zu illustrier­en: so als würde sein BeinaheSch­wiegerpapa Norbert Burger heute S KPÖ wählen. PÖ-Bundesgesc­häftsführe­r Max Lercher fühlte sich sogleich bemüßigt, noch einen draufzuset­zen: „Die Wahrheit ist, dass Jörg Haider heute wahrschein­lich SPÖ wählen würde.“Da stellt sich zunächst die Frage, ob dies überhaupt theoretisc­h möglich wäre, weil bei zu Freiheitss­trafen über fünf Jahren verurteilt­en Häftlingen erst einmal ein Richter entscheide­n muss, ob sie ihr Wahlrecht ausüben dürfen. Darüber hinaus kann man nur vermuten, mit welchem Argument Lercher um Haiders Stimme gebuhlt hätte: „Du bist national, wir sind sozialisti­sch, warum soll das nicht zusammenpa­ssen?“Es ist zu befürchten, dass dieser „Wer würde wen wählen“-Wettbewerb noch nicht beendet ist und weitere Thesen in ähnlicher Qualität hervorbrin­gen wird. Ich tippe auf „Ikarus würde Matthias Strolz wählen“, „Kurt Schwitters würde Josef Moser wählen“und „Toni Sailer würde Peter Pilz wählen“.

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