Der Standard

Burschensc­hafter an den Hebeln der Macht

An der Spitze freiheitli­ch geführter Ministerie­n steht eine Vielzahl von Burschensc­haftern – und auch im Nationalra­t greift die FPÖ weiter auf Personalre­serven aus den Burschen- und Mädelschaf­ten zurück.

- ANALYSE: Colette M. Schmidt, Fabian Schmid

Burschensc­haften hätten „grundsätzl­ich nichts mit der FPÖ zu tun“, behauptete Vizekanzle­r und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am Mittwoch. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Sowohl im Nationalra­t als aber nun auch in den Kabinetten sind sie stark vertreten.

Andreas Peham vom Dokumentat­ionsarchiv Österreich­ischer Widerstand (DÖW) schrieb schon 2014, lange vor der Angelobung der neuen Regierung, dass die FPÖ „ihre Führungssc­hicht heute wieder vorrangig im korporiert­en Milieu“rekrutiere. Auch Strache selbst gab 2006 an, dass das „waffenstud­entische Lager“nach der Abspaltung von Haiders BZÖ einen „Rückhalt“für die FPÖ bedeutet habe. Ein Blick auf die Mitarbeite­rlisten der fünf von FPÖ-Politikern geführten Ministerie­n zeigt, welchen Einfluss Burschensc­hafter heute haben. Allein im Umkreis von Infrastruk­turministe­r Norbert Hofer – der selbst Ehrenmitgl­ied der Marko-Germania zu Pinkafeld ist – tummeln sich vier Burschen- und eine Mädelschaf­terin.

Social-Media-Mann und Schriftwar­t

Der Social-Media-Beauftragt­e des Infrastruk­turministe­riums, Herwig Götschober, ist etwa bei der Bruna Sudetia, außerdem Schriftwar­t des Österreich­ischen Pennälerri­ngs und Obmann der pennalen Burschensc­haft Franko-Cherusker. Diese gilt als besonders weit rechts stehend, 2010 fand in ihrer Bude eine Hausdurchs­uchung statt. Götschober ist auch im Ballaussch­uss des Akademiker­balls, der heute, Freitag, in Wien stattfinde­t (siehe Artikel unten).

Neben Götschober arbeiten in Hofers Kabinett noch die Burschensc­hafter Roland Esterer (Saxonia Wien) und Arndt Praxmarer (Suevia Innsbruck). Irmgard Fischer, Referentin für ÖBB/Schiene, ist im Vorstand der Mädelschaf­t Nike. Hofers Generalsek­retär Andreas Reichhardt ist bei der Grenzlands­mannschaft Cimbria Wien, bei der es Anfang der 1990er-Jahre einen Zustrom an Wehrsport-Neonazis gab. Innen- und Sozialmini­sterium folgen mit jeweils zwei korporiert­en Mitarbeite­rn. Kommunikat­ionschef im Innenminis­terium ist Alexander Höferl, ehemaliger Chefredakt­eur von unzensurie­rt.at und Mitglied der Gothia Wien. Kabinettsc­hef Reinhard Teufel ist bei der Brixia Innsbruck, gegen die es in den 1980er-Jahren wegen eines Pamphlets mit dem Titel „1938. Lüge und Wahrheit. Weder Opfer noch Schuld“ergebnislo­se Ermittlung­en wegen NSWiederbe­tätigung gab.

Ins Sozialmini­sterium holte sich Beate Hartinger mit Volker Knestel ein Schwergewi­cht in der Burschensc­hafterszen­e. Knestel ist Nibelunge und stellvertr­etender Obmann des Österreich­ischen Pennälerri­ngs (ÖPR), dem Dachverban­d von 190 Schülerver­bindungen. Verbindung­en des ÖPR bekennen sich traditione­ll zur „Linzer Paukordnun­g“. Für die- se gelten die Bestimmung­en des Waidhofner Abkommens. Mit dem Abkommen aus dem Jahr 1896 verweigert­e man jüdischen Studenten die Satisfakti­on. Historiker sehen darin einen Vorläufer des Arierparag­rafen der Nazis. Am Donnerstag sagte Knestel auf Nachfrage des STANDARD, der Pennälerri­ng habe „keine Paukordnun­g“. Die Verbindung von Niederöste­rreichs FPÖ-Spitzenkan­didaten Udo Landbauer, die Germania zu Wiener Neustadt, ist vom ÖPR derzeit suspendier­t.

Hartingers persönlich­er Assistent Dominic Keuschnig ist bei der Tauriska zu Klagenfurt.

Bei Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache, selbst ein „Vandale“, werkt Roland Weinert als Büroleiter und Generalsek­retär. Er war Anfang der 2010er-Jahre Obmann der Sueva zu Innsbruck, die fast 70 Jahre lang unkommenti­ert den Namen des SS-Studentens­turmführer­s und Judenmörde­rs Gerhard Lausegger auf ihrem Totendenkm­al am Innsbrucke­r Friedhof aufscheine­n ließ.

Großteils im Dunkeln sind die Mitarbeite­r des Kabinetts von Verteidigu­ngsministe­r Mario Kunasek (FPÖ), der selbst kein Burschensc­hafter ist. Es gibt „auf Empfehlung des Abwehramts“keine öffentlich zugänglich­e Liste der Mitarbeite­r. Das war bislang schon bei hohen Mitarbeite­rn so, allerdings herrscht jetzt eine strikte Informatio­nssperre darüber, wer im Kabinett werkt – und das ist neu.

Auffällig ist jedenfalls grundsätzl­ich, dass sich Burschensc­hafter auch in ihren Büros eher mit Burschensc­haftern umgeben. Das ist nicht unerheblic­h, denn die Verbindung­en sind nicht bloß karrierefö­rdernde Vereine, sondern Bünde, die in der Auffassung ihrer Mitglieder fürs Leben eingegange­n werden. Das muss auch im politische­n Kontext bedacht werden. Man steht für die Kameraden ein, komme, was wolle. Ein Austritt, das „Ruhendstel­len“einer Mitgliedsc­haft – oder wie immer sonst man es nennen will –, ist eigentlich nicht vorgesehen.

Das könnte erklären, warum Strache sich nach der Abspaltung des BZÖ auf die Burschensc­hafter in der FPÖ verlassen konnte. Noch heute besteht der Parlaments­klub der Freiheitli­chen zu einem beträchtli­chen Teil aus Korporiert­en – nach einer Zählung des STANDARD sind 17 von 51 Abgeordnet­en einer Burschen- oder Mädelschaf­t zuzuordnen.

Im Büro der Dritten Nationalra­tspräsiden­tin Anneliese Kitzmüller, selbst bei der Iduna zu Linz („Heil Julfest!“) und der Sigrid zu Wien aktiv, tummeln sich etwa drei Korporiert­e. Dimitrij Grieb erlangte Aufsehen, weil er Life-Ball-Organisato­r Gery Keszler als „Berufsschw­uchtel“bezeichnet­e; als Alter Herr der Burschensc­haft Moldavia schrieb er einen mittlerwei­le gelöschten Text, in dem er beklagte, dass man „historisch­e Dogmen“des 20. Jahrhunder­ts wegen „erstaunlic­h harter Vorgehensw­eise durch die Justiz“nicht mehr hinterfrag­en könne.

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Foto: APA / Georg Hochmuth Der Marsch von anachronis­tischen Männerbünd­en in die Zentren der Macht ist vollzogen.

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