Der Standard

Wachsende Kritik an Seouls Annäherung­spolitik

Konservati­ve Koreaner und US-Vizepräsid­ent Mike Pence gegen „Pjöngjang- Olympia“

- Manuel Escher

Wien/Seoul – Nordkorea rief in der Nacht zum Donnerstag noch einmal „alle Koreanerin­nen und Koreaner“zur Tat: Jeder im In- und Ausland müsse für das Ziel der Wiedervere­inigung kämpfen, hieß es in einer der seltenen an alle Koreaner gerichtete­n Aussendung­en aus Pjöngjang. Dafür solle die Zusammenar­beit mit Seoul gefördert werden, außerdem müsse es Kontakte und Reisen geben, so Pjöngjang, das seinen Bürgern seit Jahrzehnte­n beides streng verbietet.

Zumindest den meisten: Denn zwölf spezielle Nordkorean­erinnen durften fast zeitgleich mit dem Aufruf tatsächlic­h in den Süden reisen. In rot-weiß-blaue Win- teroverall­s gekleidet, fuhren jene zwölf Eishockeys­pielerinne­n über die streng bewachte Grenze, die gemeinsam mit ihren 23 südkoreani­schen Kolleginne­n bei den Olympische­n Winterspie­len in Pyeongchan­g ein gemeinsame­s Team unter der „Wiedervere­inigungsfl­agge“stellen sollen.

„Größer als wir selbst“

Natürlich sei es für sie und ihre Spielerinn­en „eine schwierige Situation“, sagte dazu die USamerikan­ische Trainerin des Eishockeyt­eams, Sarah Murray, „wenn unser Team für politische Zwecke genutzt wird“. Allerdings man müsse sich nun eben den Dingen fügen, „die größer sind als wir selbst“.

So einsichtig geben sich längst nicht alle in Südkorea. Vor allem aus den Reihen der konservati­ven Opposition wächst die Kritik an der ausgleiche­nden Politik von Präsident Moon Jae-in. Opposition­schef Hong Joon-pyo gab seiner Sorge erst kürzlich durch die plakative Formulieru­ng Ausdruck, die Olympische­n Spiele in Pyeongchan­g dürften nicht zu „Pjöngjang-Olympia“werden.

In der Bevölkerun­g wird der Kurs des Präsidente­n hingegen noch mehrheitli­ch unterstütz­t, seine Zustimmung­srate liegt bei 60 Prozent. Sie ist damit aber im Vergleich zum Vormonat um sechs Prozent gesunken. In der gleichen Befragung sagte die Hälfte der Koreanerin­nen und Koreaner zudem, dass sie ein gemeinsame­s Olympia-Team, wie es nun geplant ist, für ein zu großes Entgegenko­mmen halten. Sie lehnen auch die „Wiedervere­inigungsfl­agge“ab, unter der Süd- und Nordkoreas Athleten antreten.

Auch US-Vizepräsid­ent Mike Pence sagte am Donnerstag, er wolle durch seine Anwesenhei­t in Pyeongchan­g verhindern, dass der Norden die Spiele „zur Geisel“seiner Politik mache. Er spielte dabei womöglich auch auf die Pläne für eine große Militärpar­ade an, die Pjöngjang jüngst vom 25. auf den 8. Februar vorverlegt hat – den Tag vor Beginn der Spiele.

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