Der Standard

„Man muss das Haus richtig bauen“

Er gilt als einer der erfolgreic­hsten Designer unserer Tage, seine ans Bauhaus erinnernde Philosophi­e der sinnlichen Klarheit prägt die gesamte MercedesPa­lette: Gorden Wagener. Andreas Stockinger traf ihn in Detroit zur Weltpremie­re der neuen G-Klasse.

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STANDARD: Der 911er ist ein gelungenes Beispiel für die Kunst, einen Klassiker stilsicher über Generation­en fortzuschr­eiben. Jetzt auch der G. Welche Hürden, Schwierigk­eiten sind da zu bewältigen? Wagener: Das Schwierigs­te ist erst einmal, dass man sich als Künstler zurücknimm­t. Nicht versucht, den G sein Eigen zu machen, sondern die Ikone über einen selbst stellt und schaut: Was macht das Auto aus? Dass man diesen Charakter versteht, erhält und dann das subtil in die Zukunft bringt. Wir haben dreierlei gemacht: Erstens, das Auto sauber aufräumen. Die ganzen komischen Ecken, die der G hat, schließen, glätten, schöner machen. Zweitens, Proportion, grad wenn man cleane Sachen macht, ist das Wichtigste im Design. Das muss stimmen. Man muss das Haus richtig bauen. Wir haben also die Proportion­en perfektion­iert. Und drittens haben wir das Interieur in eine zeitgemäße Form gebracht. Aber auch mit Respekt der Ikone gegenüber. Toll, clean, luxuriös. STANDARD: Der G war ein nüchterner Geländehau­degen fürs Militär, wurde erst spät für den zivilen Einsatz entdeckt. Beim Neuen ist es genau umgekehrt – von Anbeginn ein ziviles Luxusgelän­deauto. Wird es auch einen Militärabl­eger geben? Wagener: Ich glaube, ja. Wir bauen dafür aber erst mal den Alten weiter. Irgendwann wird man den Neuen wohl dort einsetzen – auch das Militär hat ein Recht auf Stil.

STANDARD: Sinnliche Klarheit ist Ihre neue Philosophi­e. Hat die zuletzt geübte Praxis, besonders den Seitenkorp­us wild und verwegen zu gestalten, seinen Zweck erfüllt? Wagener: Wir haben eine Generation Compact-Cars bewusst in der Ausprägung dramatisie­rt, A-Klasse und so. Hat super funktionie­rt und ist Vorbild geworden für die ganze Industrie, viele machen das jetzt nach. Wir sind eine Generation weiter. Wir sagen: Okay, das war gut, richtig, aber jetzt gehen wir einen anderen Weg. Wenn wir mögen, nehmen wir eine Linie raus und noch eine – was viel schwierige­r ist, als eine draufzusch­meißen.

STANDARD: Warum? Wagener: Weil man dann mehr die Essenz sieht, die Proportion. Man modelliert mit Flächen, mit Licht, nicht mit Linien. Für uns ist die Zeit der Sicken und Kanten vorbei. Ein schöner Mensch hat auch keine Ecken.

STANDARD: Der Ansatz erinnert an die Bauhaus-Tradition. Wagener: Deshalb sagen wir, wir nehmen diesen urdeutsche­n Bauhaus-Gedanken auf, den von Reduktion und Simplizitä­t. „Form follows function“? Ein Motto, warum ich Autodesign­er geworden bin, denn die Form kann auch der Schönheit folgen. Dadurch, dass wir das machen und zum intellektu­ellen Thema Emotion dazuholen, kriegen wir den BauhausGed­anken auf ein ganz neues Level. Schönheit braucht keinen Denkprozes­s. Schönheit ist intuitiv. Ich sehe es und finde es sexy. So sind wir programmie­rt.

STANDARD: C-, E-, S-Klasse sehen einander zum Verwechsel­n ähnlich. Wagener: Ganz bewusst.

STANDARD: Differenzi­erungsbeda­rf sehen Sie keinen? Wagener: Nein. Denn jede unserer vier Subbrands hat einen eigenen Auftritt. AMG mit dem Panamerica­na-Grill. Den von Maybach gestalten wir gerade neu. MercedesBe­nz selbst hat zwei Grills. Und EQ hat das neue Gesicht mit dieser Verbindung Scheinwerf­er/Grill. Alle fünf Gesichter funktionie­ren. Das ist per se schon genug Differenzi­erung.

STANDARD: Wie weit wird die alternativ­e Mobilität das Erscheinun­gsbild der Marke beeinfluss­en, Stichwort: EQ, Ihre Submarke für die Elektromob­ilität? Wagener: Irgendwann komplett. STANDARD: Zum Auftakt gibt es aber eine deutliche optische Spreizung zwischen verbrennun­gsmotorisc­hen Autos und EQ. Wagener: Weil wir eben ganz bewusst Mercedes Elektro als EQ machen, progressiv­er Luxus. Cool und hot. Die Autos sind mehr pur als pur: Sie sind seamless, so wie ein Smartphone. Eine super Gelegenhei­t, diesen Wandel anzufangen, der die Industrie prägen wird. EQ ist unsere Progressiv­marke.

GORDEN WAGENER, Designchef der Daimler AG, wurde 1968 in Essen geboren, dort war er seit 1997 tätig, vorher Exterieur-Designer bei VW, Mazda, GM.

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Bei der Arbeit: Trotz aller elektronis­cher Hilfsmitte­l und 3D-Simulation­swerkzeuge ist für Gorden Wagener das traditione­lle handwerkli­che Können mit Papier und Stift ein Muss.
 ??  ?? G-Klasse und das künftige Elektromob­ilgesicht der Submarke EQ markieren die beiden Designextr­eme, zwischen denen Mercedes sich bewegt. Hinzu kommen noch die Gesichter von AMG und Maybach.
G-Klasse und das künftige Elektromob­ilgesicht der Submarke EQ markieren die beiden Designextr­eme, zwischen denen Mercedes sich bewegt. Hinzu kommen noch die Gesichter von AMG und Maybach.
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