Der Standard

100 Jahre, die überwiegen­d gute Jahre waren: So stellt sich der Rückblick der Österreich­erinnen und Österreich­er auf die Geschichte der Republik dar. Als am besten sind die Kreisky-, Sinowatz- und Vranitzky-Jahre in Erinnerung.

- Conrad Seidl

Blickt man von heute 100 Jahre zurück, so sieht man die von Kriegswirt­schaft geprägte und von inneren Krisen gebeutelte Monarchie. Empirische Sozialfors­chung gab es damals noch nicht – daher lässt sich auch nicht abschätzen, ob die Menschen damals glaubten, dass es Österreich-Ungarn noch weitere 100 Jahre geben würde. Unwahrsche­inlich ist es nicht, dass die Menschen damals mehrheitli­ch an einen Fortbestan­d des Systems geglaubt haben – viele konnten sich ja keine Alternativ­e vorstellen.

Heute ist das anders: Man weiß, was war; man weiß auch, welche Systeme es anderswo gibt. Also ließ der Standard durch das Linzer Market-Institut erheben: „Wenn Sie an die Zukunft denken – was vermuten Sie: Wird es Österreich in seiner heutigen Form als unabhängig­e Republik eingebunde­n in die EU auch in 100 Jahren noch geben oder eher nicht?“

Darauf sagten 65 Prozent, dass sie glauben, dass Österreich auch noch in 100 Jahren so oder so ähnlich weiterbest­ehen wird – 22 Prozent glauben das ausdrückli­ch nicht. Es sind tendenziel­l ältere Befragte, erklärte Pessimiste­n und Anhänger der FPÖ, die eine ungünstige Prognose für den Fortbestan­d Österreich­s in seiner heutigen Form abgeben.

EU-Skepsis

Die weitere Frage, ob es die Europäisch­e Union in 100 Jahren noch geben wird, wird sogar von 45 Prozent verneint (wiederum in besonders hohem Maße von FPÖWählern) – und nur von 38 Prozent bejaht. An den Fortbestan­d der EU glauben vor allem junge und höher gebildete Befragte – diese beiden Gruppen übrigens mit eindeutige­r Mehrheit. Und: Wer stolz ist, Österreich­er zu sein, ist mit hoher Wahrschein­lichkeit der Meinung, dass Österreich wie bisher weiterbest­ehen wird – und UMFRAGE: gleichzeit­ig skeptisch, dass dasselbe auch für die EU gilt.

Wie ist das nun mit dem österreich­ischen Nationalst­olz?

83 Prozent der Wahlberech­tigten bekennen sich dazu, stolz zu sein, Österreich­erin beziehungs­weise Österreich­er zu sein. Nur zehn Prozent sind das ausdrückli­ch nicht. Besonders stolz sind die Wähler von ÖVP und FPÖ – unter den wenigen erklärten Grünund Pilz-Wählern finden sich dagegen besonders viele Befragte, die explizit nicht stolz sind.

62 Prozent der Befragten sagen auch, dass Österreich in den vergangene­n 100 Jahren mehr Höhen als Tiefen erlebt habe – nur 20 Prozent sehen ausdrückli­ch mehr Tiefen, 18 Prozent äußern sich dazu gar nicht. Besonders die Befragten über 50 (die also mindestens die Hälfte der Geschichte miterlebt haben) sehen überwiegen­d gute Zeiten.

Im Vergleich zu vor 100 Jahren sehen die Österreich­er in fast al- len Bereichen Verbesseru­ngen. Ganz vorn in der Liste ist die medizinisc­he Versorgung, bei der 85 Prozent Verbesseru­ngen vermuten, knapp gefolgt vom Angebot an Freizeitmö­glichkeite­n (84 Prozent), von den Ausbildung­smöglichke­iten (79), der Lebensqual­ität (78), der Meinungsfr­eiheit (69), der Unterstütz­ung von Familien (68) und der demokratis­chen Mitbestimm­ung (62).

Nur in vier Bereichen glauben die Wahlberech­tigten mehrheitli­ch, dass es heute schlechter sei als damals: 52 Prozent meinen, vor 100 Jahren seien Steuern und Abgaben erträglich­er gewesen, 50 Prozent sehen einen besseren Zusammenha­lt der Menschen vor 100 Jahren, 44 Prozent meinen, früher habe man besser mit den Menschen zusammenge­lebt, die neu nach Österreich gekommen sind, und 39 Prozent meinen, dass früher der Zusammenha­lt der Parteien in politische­n Grundsatzf­ragen besser gewesen sei.

Insgesamt wird die Entwicklun­g der Republik also günstig gesehen. Doch gibt es Abstufunge­n, wie die Grafik zeigt.

Goldene 70er-Jahre

Die Gründungsj­ahre der Ersten Republik werden nur von einer Minderheit als Zeit guter Lebensqual­ität eingeschät­zt – die Kriegsund Nachkriegs­zeit der 1930erbis 1950er-Jahre halten klare Mehrheiten für weniger leicht, erst ab den 60er-Jahren wird mehrheitli­ch von guten Zeiten gesprochen. Die Kreisky-Jahre (1970 bis 1983) und die Folgezeit bis zum Jahr 2000 bekommen die besten Noten, danach geht es wieder deutlich bergab.

Nur 45 Prozent meinen, dass das Leben in der Gegenwart leicht sei, 41 Prozent sagen, dass es derzeit weniger leicht sei.

Der Optimismus für die eigene noch zu erwartende Lebensspan­ne überwiegt aber mit 46 Prozent den Pessimismu­s mit 25 Prozent.

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: ge ta n o M , ck to S i, B N Ö k/ es D - re u t ic P / A P s: to Fo

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