Eine Wanze, die viele Fragen aufwirft
Unterschiedliche Angaben, wann Abhöranlage im Strache-Büro entdeckt wurde
Wien – Ungewöhnliches gehört grundsätzlich zum Geschäft von Geheimdiensten. Diese Geschichte wird aber selbst von langjährigen Kennern des Abwehramts als mysteriös bezeichnet. Wie berichtet gaben Innen- und Verteidigungsministerium am Donnerstag bekannt, dass zum einen im Büro von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) eingebrochen und zum anderen dort eine Abhörwanze gefunden worden sei.
Die genaueren Hintergründe sind noch unklar, das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung wurde mit Ermittlungen beauftragt, die Staatsanwaltschaft Wien eingeschaltet. Der bisher kommunizierte Sachverhalt wirft allerdings mehr Fragen auf, als er Antworten liefert.
FPÖ-Chef Strache erklärte, er habe gleich nach der Angelobung am 18. Dezember seinen Generalsekretär gebeten, beim Abwehramt, einem der Nachrichtendienste des Heeres, eine Prüfung seines Büros im Palais Dietrichstein am Wiener Minoritenplatz auf Abhöranlagen in Auftrag zu geben.
In einer internen Mail des Verfassungsschutzes, die der Journalist Florian Klenk auf Facebook veröffentlichte, heißt es, dass bereits am 19. Dezember eine „Lauschabwehr“im Büro des Vizekanzlers durchgeführt wurde und dort „tatsächlich am 19.12. Wanzen gefunden“wurden. Das Verteidigungsministerium, das nun von FPÖ-Minister Mario Kunasek geführt wird, stellt den Zeitablauf allerdings anders dar. Am 19. Dezember habe es nur eine Begehung des Strache-Büros gegeben, im Sinne von: Schauen wir mal, was zu tun ist. Die tatsächliche Überprüfung durch das Abwehramt habe – im Zuge der Amtshilfe – erst in der zweiten Jännerwoche stattgefunden. Unmittelbar darauf sei der Bedarfsträger, also das Vizekanzlerbüro, informiert worden.
Nur Strache informiert
Prinzipiell werde immer nur die anfordernde Dienststelle informiert, damit diese geeignete Schritte setzen könne (oder sie auch geheim halten kann, wie das etwa passiert, wenn in einer diplomatischen Vertretung eine Wanze gefunden wird), was Ex-Minister Thomas Drozda irritiert, der vor Strache in den Räumlichkeiten sein Büro hatte (siehe rechts).
Diese Variante wiederum passt nicht ganz mit den Angaben des Strache-Büros vom Donnerstag zusammen. Da erklärte man der Austria Presseagentur, die Abhöreinrichtung sei „in der vergangenen Woche“entdeckt worden, das wäre allerdings die dritte Jännerwoche.
Wurde die Öffentlichkeit womöglich gezielt am Donnerstag informiert, um von den NS-verherrlichenden Liederbüchern der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt abzulenken? StracheSprecher Martin Glier weist das zurück; er erklärte am Freitag auf STANDARD- Anfrage, man habe zunächst „aus ermittlungstechnischen Gründen“zugewartet.
Die FPÖ vermutet ja einen Zusammenhang zwischen Wanze und Einbruch. Nachdem man die Abhöranlage in einer Lautsprecherbox an der Spiegeltür hinter dem Strache-Schreibtisch deaktiviert habe (von dort soll ein gut hundert Meter langes Kabel bis ins Freie verlegt worden sein), sei offenbar jemand ins Palais eingedrungen, um nachzusehen, warum die Anlage nicht mehr funktioniere, so die Vermutung.
Wenn man allerdings bereits einen konkreten Spionageverdacht hatte, warum wurde der entsprechende Bereich dann nicht permanent überwacht? Und warum wurde die Justiz nicht bereits früher eingeschaltet? Laut dem von FPÖ-Minister Herbert Kickl geführten Innenressort konnte der Einbrecher unerkannt fliehen, was Kenner des Vizekanzleramts verwundert, weil es von der Straße bis zum Ministerbüro mehrere Hürden gibt.
Der Abhörversuch über die Lautsprecherbox deutet jedenfalls nicht auf professionelle ausländische Geheimdienste hin. Wanzen sind grundsätzlich auf Amazon und Ebay günstig zu bekommen. GSM-Wanzen lassen sich praktisch von überall auf der Welt ansteuern, denn sie senden, wie die Bezeichnung verrät, wie ein Handy auf einer Mobilfunkfrequenz.
Das erste Überwachungsopfer wäre Strache freilich nicht. Bereits 2009 wurde ein manipuliertes Telefon des Sprechers des damaligen Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) entdeckt. Der Festnetzanschluss wurde so manipuliert, dass nach dem Auflegen des Hörers weiterhin mitgehört werden konnte, was im Raum gesprochen wurde – bis zum nächsten Telefonat. Auch damals wurden Ermittlungen eingeleitet. Im Verteidigungsressort ging man damals eher von interner Spionage aus, bestätigt werden konnte das allerdings nie. In weiterer Folge entschloss man sich aber dafür, regelmäßige Kontrollen der Büroräume durchzuführen.
Es ist erst 40 Tage her, dass die FPÖ nach elf Jahren Pause im Bund wieder mitregiert. Aber eines hat sie seither schon bewiesen: Sie ist keine ernsthafte Regierungspartei und will es offenbar auch nicht sein.
Noch von keinem FPÖ-Mitglied im Kabinett ist bisher ein seriöser politischer Vorstoß gekommen. Was die blaue Riege bisher vorgelegt hat, waren symbolkräftige populistische Häppchen, die zwar einigen Wählergruppen gefallen, aber weder sinnvoll noch relevant sind: Vom Verkehrsminister kamen Tempo 140 und Rechtsabbiegen bei Rot; vom Innenminister eine berittene Polizei und eine schnelle – derzeit und in absehbarer Zukunft unnötige – Grenzeinsatzgruppe; vom Verteidigungsminister eine saftige Solderhöhung für Grundwehrdiener, für die es weder einen akuten Bedarf noch die notwendigen Mittel gibt.
Die einzige denkwürdige Ansage des Sportministers Heinz-Christian Strache war seine empörte Attacke auf die Recherchen der Medien in der Causa Toni Sailer. Die Sozialministerin ist überhaupt verstummt, nachdem ihr der Bundeskanzler bei der Notstandshilfe über den Mund gefahren ist. Das Aus für das Rauchverbot in der Gastronomie könnte zwar ernsthafte Folgen haben, nämlich mehr Tote, aber zahlreiche Wirte sagen „Nein, danke“zu diesem Angebot. Selbst in der Ausländerpolitik, dem blauen Herzensanliegen, sind bisher nur böse kleine Gesten und keine großen Würfe zu sehen. ine Ausnahme ist die Außenministerin, die bisher eine gute Figur macht. Doch Karin Kneissl betont stets ihre Unabhängigkeit von der Partei, die sie nominiert hat, und beweist mit ihrer jüngsten Annäherung an die Türkei, dass sie sich um die bisherige Linie jener nicht schert.
In die Schlagzeilen kommt die FPÖ vor allem mit verbalen Ausrutschern und ungewollten Affären wie die NSLiedtexte der Burschenschaft Germania, die es der Parteiführung schwermacht, staatsmännisch zu erscheinen. Strache muss nun wortreich erklären, warum er bei einer Veranstaltung der anrüchigen Germania im Saal war, ohne wirklich dabei gewesen zu sein. Dabei „Fake-News“zu schreien ist auch kein Zeichen der Stärke.
Das ist alles etwas lächerlich, eine lächerliche Finsternis. Die FPÖ-Regierungsbeteiligung ist für viele zum
ESchämen, aber sie ist nicht zum Fürchten. Hier werken nicht sinistere Strategen an der Errichtung einer Dritten Republik. Hier wird nur darauf geschaut, eine unruhige Basis bei Laune zu halten – selbst wenn man dafür mitten im Wahlkampf bei einer Burschenschaftsfeier mit Kappe aufkreuzen muss, obwohl das nicht ins bebrillt-gestylte Image passt. Und politische Gestaltung überlässt die blaue Ministerriege jetzt lieber dem Koalitionspartner, der sich damit genügend plagt.
Die FPÖ bleibt eine populistische Protesttruppe, die nach vielen unverdienten Wahlerfolgen erneut den Sire- nengesängen der Macht erlegen ist und nicht wirklich weiß, was sie damit anfangen soll. Dass Strache jetzt schon auf das Wiener Bürgermeisteramt schielt, macht deutlich, wie unbefriedigend das Mitregieren für ihn ist.
Noch hält die Partei ihre Umfragewerte, und bei der Wahl in Niederösterreich kann auch ein angeschlagener Udo Landbauer angesichts der niedrigen Ausgangsbasis nur zulegen. Aber die Spannungen, die die FPÖ unter Schwarz-Blau gleich zweimal zerrissen haben, sind bereits zu spüren. Das hat sich Strache – und wohl auch Sebastian Kurz – anders vorgestellt.