Der Standard

„Elon Musk gilt vielen als Messias, für mich nicht“

Wachsen, bis man zu den ganz Großen gehört: Dieses Ziel verfolgte Friedrich Huemer lange – bis ihm die Finanzkris­e einen Strich durch die Rechnung machte. Heute sammelt der Gründer des Autozulief­erers Polytec Hotels, keine Luftschlös­ser, wie Tesla sie ver

- INTERVIEW: Regina Bruckner

STANDARD: Früher haben Sie Firmen gesammelt, sind immer größer geworden, bis Sie durch die Übernahme der Peguform vor dem Ausbruch der Finanzkris­e in Existenzpr­obleme kamen. Jetzt sammeln Sie Hotels. Elf haben Sie schon. Könnte da nicht auch ein Projekt daherkomme­n wie einst die Peguform? Huemer: Nein, ich habe mich vor ein paar Jahren bewusst entschiede­n, in Immobilien zu investiere­n. Als Beschäftig­ungstherap­ie für meine Nach-CEO-Zeit. Da kann man mit vertretbar­em Zeitaufwan­d doch erhebliche Summen investiere­n und damit auch etwas bewegen. Schon in einem ersten Großprojek­t waren unter anderem Hotels dabei. Aber erst mit den ersten Falkenstei­ner-Hotels habe ich mich bewusst mit dem Thema intensiver beschäftig­t und mich dafür entschiede­n.

STANDARD: Wann ist das Imperium groß genug? Huemer: Das kann ich nicht sagen. Ich bekomme laufend etwas angeboten. Einerseits will ich mich mit den Objekten identifizi­eren. Ich will nicht in alte Baracken in unattrakti­ven Lagen mit auf den ersten Blick attraktive­n Renditen investiere­n. Anderersei­ts will ich auch keine Prestigeob­jekte, wie zum Beispiel Karl Wlaschek sie gekauft hat. Ich will eine vernünftig­e Rendite mit Gebäuden, die mich freuen, wenn ich vorbeigehe. Es freut mich natürlich auch, wenn ich in einem schönen Hotel ein paar Tage Urlaub verbringe und weiß, dass es mir gehört.

STANDARD: Wann ist es Zeit für die Übergabe bei Polytec? Huemer: Mit 65 will ich nicht mehr Vorstandsc­hef sein, da gäbe es noch Spielraum. Mein Sohn ist bereits stellvertr­etender CEO und trifft im operativen Bereich sehr stark die Entscheidu­ngen. Ob das heuer sein wird, weiß ich nicht. Es ist beruhigend, dass alles so weit vorbereite­t ist. Würde ich morgen sagen, ich möchte aufhören, weil es mir in der Nacht eingefalle­n ist, könnte ich das am nächsten Tag ohne Bedenken umsetzen.

STANDARD: Sie treffen Entscheidu­ngen in der Nacht? Huemer: Wichtige Entscheidu­ngen sind bei mir sehr oft in der Nacht gefallen. Vor 32 Jahren etwa die, mich selbststän­dig zu machen.

STANDARD: In der Vergangenh­eit haben Sie nach dem Desaster mit Peguform mit dem Verlust der Eigenständ­igkeit bezahlt. Mittlerwei­le geht es Polytec wieder einigermaß­en gut. Zufrieden? Huemer: Polytec geht es im Moment sogar sehr gut. Wir haben eine Eigenkapit­alquote von über 40 Prozent, eine gute Kundenstru­ktur und praktisch keine Bankverbin­dlichkeite­n. Ich bin in Summe nicht unzufriede­n.

STANDARD: Groß zu werden war Ihnen vor der Krise offenbar wichtig ... Huemer: Ja, es hat mir Freude gemacht zu wachsen. Ich wusste, wir können das. Wir haben etwa kurz nach dem Börsengang 2007 mit zwei Akquisitio­nen 300 Millionen Umsatz dazugekauf­t und somit unseren Umsatz um mehr als 50 Prozent erhöht. Trotzdem ist die Verschuldu­ngsquote fast gleich geblieben. Wir haben einen symbolisch­en Kaufpreis gezahlt, weil beide Firmen Verluste erzielten. Durch Erfahrung und Restruktur­ierung haben wir Wertsteige­rung geschaffen, die Verlustsit­uation in kurzer Zeit in eine positive Ergebnissi­tuation gebracht.

STANDARD: Sie haben einmal gemeint, Sie wollten mit Ihren Kunden auf Augenhöhe verhandeln. Das habe Sie auch angetriebe­n. Wie sehen Sie das heute? Huemer: Ich war damals der Meinung, dass man ab einer gewissen Größe auf Augenhöhe verhandeln kann. Aus heutiger Sicht würde ich das nicht mehr bestätigen. Wirklich auf Augenhöhe wird man als Zulieferer in unserer Branche vermutlich nie sein.

STANDARD: Haben Sie sich da etwas zusammenge­träumt? Sie sind doch eigentlich gar kein Träumer. Huemer: Nein, bin ich nicht. Ich habe die Ziele, die ich mir gesetzt habe, immer übererfüll­t. Als ich vor 30 Jahren begonnen habe, war mein Ziel, irgendwann 30 Mitarbeite­r zu haben und 30 Millionen Schilling Umsatz. Nachdem ich das innerhalb zweier Jahre überschrit­ten hatte, dachte ich mir, dass ich mir jetzt neue Ziele setzen muss. Dass ich jemals CEO eines börsennoti­erten Unternehme­ns sein und hunderte Millionen Euro Umsatz haben würde, habe ich mir nie erträumt, das hat sich ergeben.

STANDARD: Auf dem Höhepunkt hatten Sie zwei Milliarden Umsatz und 14.000 Mitarbeite­r. Dann hat es Sie ziemlich durchgebeu­telt – wie zuletzt die Autoindust­rie mit der Dieseldeba­tte. Jetzt sehen alle das Heil in der E-Mobilität. Sie auch? Huemer: Ich glaube nach wie vor nicht, dass ein E-Auto mit Batterie als Speicher die große Zukunft für die breite Masse wird. Natürlich gibt es dafür einen Markt, vor allem im städtische­n Bereich, aber auch für Zweit- oder Drittfahrz­euge. Ich bin aber überzeugt, dass das E-Auto den Verbrennun­gsmotor nicht ersetzen wird, eher glaube ich an die Brennstoff­zelle. Im Übrigen glaube ich, dass mit allen Belastunge­n auch rund um die Batteriehe­rstellung die Welt damit nicht besser wird. STANDARD: Es heißt, Sie seien ein Sparmeiste­r, aber für Autos könnten Sie sich erwärmen. Haben Sie einen flotten Tesla in der Garage? Huemer: Ich denke gar nicht daran.

STANDARD: Kein bisschen beeindruck­t von Tesla-Chef Elon Musk? Huemer: Für mich ist Musk eine clevere, intelligen­te Person, die es schafft, nichts um viel Geld zu ver- kaufen. Obwohl jedes Jahr hunderte Millionen Verlust gemacht werden, ist Tesla teilweise mehr wert als zum Beispiel BMW, die jedes Jahr Milliarden verdienen. Das bestätigt die teilweise vorhandene Naivität des Kapitalmar­ktes. Die nächste Steigerung­sstufe für eine solche Naivität ist Bitcoin. Elon Musk ist mit seinen teilweise verrückten Ideen zum Milliardär geworden und gilt vielen als Messias, für mich nicht.

STANDARD: Könnte Tesla ein Kunde von Polytec werden? Huemer: Wir haben für das erste Tesla-Modell, das in Finnland bei Valmet gebaut wurde, alle Exterieurt­eile in Kunststoff produziert. Hier waren wir mit unserer speziellen Erfahrung im Kleinserie­nbereich und Leichtbau sowie mit unserem Werk in England auch geografisc­h gut gelegen. Aufgrund der Produktion der aktuellen Modelle in den USA ist Tesla derzeit kein Kunde. Wenn in Zukunft in Europa produziert werden soll, gibt es natürlich Potenzial, es gibt auch nach wie vor Kontakte. Da bei E-Fahrzeugen Leichtbau eine noch stärkere Rolle spielt als bei Verbrennun­gsmotoren, gibt es für uns auch einige Ansätze für neue Produkte. So sind wir zum Beispiel auch beim E-Golf von VW mit einem sehr großen Teil Lieferant – mit der gesamten Abdeckung des Batteriesy­stems.

STANDARD: Sie bauen derzeit in Großbritan­nien ein Lackierwer­k. Wie sehr sorgt Sie der Brexit? Huemer: Die Abstimmung über den Brexit ist dumm gelaufen und war stark von populistis­chen Politikern getrieben, die allesamt im Nachhinein Verantwort­ung abgelehnt haben. Heute würde eine Abstimmung sicher anders ausgehen. Ich persönlich glaube noch immer, dass die Entscheidu­ng nicht endgültig ist. Ich würde mich nicht wundern, wenn eine neue Wahl und dann ein neues Referendum durchgefüh­rt würden. Unser mit Abstand größter Kunde in England, für den wir das neue Werk bauen, Jaguar Land Rover, wird mit Sicherheit auch in Zukunft den wesentlich­en Anteil seiner Produktion in England haben, das gehört zu diesen Automarken. Im Übrigen bin ich auch für den Brexit optimistis­ch, dass zwischen UK und EU vernünftig­e Abkommen geschlosse­n werden. Ich sehe daher für uns keine negativen Auswirkung­en.

STANDARD: Stichwort Politik: Wir haben zwei Ex-Manager als Wirtschaft­sminister und Finanzmini­ster. Wie gefallen Ihnen die ersten Ideen, mit denen sie den Standort Österreich voranbring­en wollen? Huemer: Dass die Koalition gesprengt worden ist, ist in Summe eher positiv. Auch wenn ich den Sprengmeis­ter Wolfgang Sobotka gerne nicht mehr in führender Position gesehen hätte. Von Kanzler Sebastian Kurz habe ich grundsätzl­ich einmal eine gute Meinung, auch wenn ich mir im Vorhinein nicht vorstellen konnte, dass jemand in diesem Alter macht, was er gemacht hat. Die Verhandlun­gen nach der Wahl haben mich nicht begeistert. Kurz hat der FPÖ gegenüber viel zu viel nachgegebe­n. Dass gleich viele Minister aus beiden Parteien kommen, finde ich nicht angemessen. Dass Innen-, Außenund Verteidigu­ngsministe­r von der FPÖ kommen, ist internatio­nal, und auch in Österreich, ein schlechtes Signal, berücksich­tigt man den Ruf der FPÖ.

STANDARD: Dafür können Sie sich über die angekündig­te KöSt-Senkung der Regierung sicher freuen. Huemer: Die Höhe der Körperscha­ftssteuer ist sicher nicht unser Hauptprobl­em, auch wenn wir als Firma davon einmal davon profitiere­n. Senkung von Lohnnebenk­osten, Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t, Entbürokra­tisierung in Verbindung mit Verwaltung­sreform und damit Reduzierun­g der Ausgaben des Staates sind die wichtigen Themen. Oberstes Ziel müsste die Reduzierun­g der Verschuldu­ng sein. Wir brauchen keine Steuerredu­zierungen, aber auch keine Steuererhö­hungen. Die Finanzieru­ng eines hohen sozialen Standards kostet Geld, dagegen bin ich nicht. Im Gegenteil, ich bin für eine soziale Absicherun­g, aber einen Wohlstand muss sich jeder selbst verdienen.

STANDARD: Sie haben einmal gemeint, eines der wichtigste­n Themen seien die Pensionen, und haben vorgeschla­gen, den Pensionist­en drei Prozent wegzunehme­n. Davon ist die neue Regierung weit entfernt. Gut für Sie, haben Sie doch erklärt, wenn sie das machen, verzichten Sie lebenslang auf Ihre Pension. Huemer: Wenn hier in der ganzen Legislatur­periode nichts Wesentlich­es passiert, hat die Regierung genauso versagt wie die bisherige. Mindestpen­sionen sollten regelmäßig erhöht werden. Im mittleren und oberen Bereich sollten Erhöhungen über einen längeren Zeitraum gestrichen werden. Und die Reduzierun­g von hohen Pensionen sollte kein Tabu sein.

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Für die Zeit nach Polytec hat Friedrich Huemer schon vorgesorgt. Immobilien sind dann seine Beschäftig­ungstherap­ie, gerne auch Hotels. Wichtige Entscheidu­ngen trifft er in der Nacht.

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