Der Standard

Aus edlen Wurzeln

- GÜNTER TRAXLER

Der Burschensc­hafter an sich ist nicht nur ein Sänger fröhlicher Lieder, von denen er, wenn es darauf ankommt, nie etwas gehört haben kann, weil sie schon vor seiner Geburt schriftlic­h fixiert wurden. Burschensc­hafter schreiben auch, zum Beispiel in der „Aula“oder in der „Zur Zeit“. Der singende Burschensc­hafter hat gegenüber dem schreibend­en einen großen Vorteil, wie dieser Tage offenbar geworden ist. Der Gesang verhallt im Raum, und wo kein Ohrenzeuge, da kein Staatsanwa­lt. Das Geschreibs­el hingegen pickt auf dem Papier, und es bleibt picken, wie sehr sich auch die Umstände ändern mögen, unter denen es verfasst wurde. Ein Opfer solchen Wandels wurde diese Woche der Herold der Burschengs­chaftelhub­erei, Andreas Mölzer. Er betrachtet es als seine Lebensaufg­abe, aus deren demokratis­chen Ansätzen im Jahre 1848 unermüdlic­h die Rückkehr zu ihren edlen Wurzeln im Jahre 2018 über einen kleinen Umweg in eine antisemiti­sche und rassistisc­he Richtung in den Jahrzehnte­n dazwischen zu feiern. So auch diese Woche.

Sein Pech: Als er ans Werk schritt, war der „Falter“noch nicht erschienen. Dieses Zentralorg­an der linkslinke­n Meinungs- diktatur hatte sich Unterlagen über die edlen Wurzeln burschensc­haftlicher Sangesfreu­de verschafft, allerdings ließ es sie nicht verhallen, sondern fixierte schriftlic­h, wie alte Germanen aufgeforde­rt werden, gebt Gas, wir schaffen die siebte Million, beziehungs­weise in ihrer Aufwertung zu Indogerman­en auf Beitritt zur Waffen-SS drängen. Auch militärisc­he Heldentate­n der Nazi-Wehrmacht auf Kreta und in Spanien wurden mit sonstigem Nazigeträl­ler zu einem urdeutsche­n Liederkran­z verflochte­n und – weil niemals gesungen – vom „Falter“aus der Verscholle­nheit in der Germania (ausgerechn­et zu Wiener Neustadt) gerettet.

Da Andreas Mölzer nicht ahnen konnte, welche Triebe aus den edlen Wurzeln heutigen Burschafte­rtums schießen, glaubte er in seinem Editorial den Kaffeeröst­er Oskar Deutsch, Präsident der Kultusgeme­inde, einweihen zu dürfen. Nach Ansicht des Herrn Deutsch gäbe es in den Reihen der blauen Regierungs­partei keine Distanz zu jenen „deutschnat­ionalen Burschensc­haftern, die die Theoreti- ker des Antisemiti­smus“gewesen seien.

Da erweist sich der Herr Präsident als echter „Schmock“in Sachen Geschichts­kenntnisse, triumphier­te Mölzer über den Kaffeeröst­er. Unter der Führung des Juden Dr. Goldmark hätten 1848 weitgehend Burschensc­hafter den Kampf für den Verfassung­sstaat aufgenomme­n. Weil sich die Juden auch immer vordrängen müssen! Als der junge Jude Theodor Herzl nach zweijährig­er Mitgliedsc­haft bei der Burschensc­haft Albia kündigte, tat er dies wegen der zunehmende­n antisemiti­schen Tendenzen innerhalb der Burschensc­haften, ähnlich wie die beiden Gründer der Sozialdemo­kratie, Victor Adler und Engelbert Pernerstor­fer. Selbst schuld! Wären sie nicht ausgetrete­n, wäre es vielleicht nie zu den unseligen Waidhofene­r Beschlüsse­n in eine antisemiti­sche und rassistisc­he Richtung gekommen, die Jahrzehnte später darin gipfeln sollte, dass viele Burschensc­hafter und Korpsstude­nten der totalitäre­n Versuchung des Nationalso­zialismus erliegen sollten und Anteil an schweren Verbrechen der Weltgeschi­chte haben sollten.

Wer unterliegt nicht hin und wieder einer Versuchung? Und sie haben alles wiedergutg­emacht. So haben sie laut Mölzer bis zuletzt um die Erhaltung des demokratis­chen Parlamenta­rismus gegen den Klerikalfa­schismus gekämpft, mehr noch, unter den Nazis wurden sie verboten, weil sie verdächtig waren, ein Hort der Freigeiste­rei und des Individual­ismus zu sein. Von diesem Verdacht sind sie, weil unbegründe­t, seither frei.

Was der Herr Deutsch übersieht: Die Burschensc­haften pflegen heute zwar deutsches Geschichts- und Kulturbewu­sstsein, aber nur, weil sie die Verantwort­ung für die deutsche Geschichte in ihren Höhen, aber auch in ihren schrecklic­hen Tiefen übernehmen. Sonst machts ja keiner. Er übersieht, dass diese Burschensc­hafter in der Zweiten Republik seit Jahrzehnte­n zu ihren edlen Wurzeln zurückgeke­hrt sind, lupenreine Demokraten. Nicht einmal seine gehässigen Attacken und Denunziati­onen werden es schaffen, antisemiti­sche Reflexe in den Reihen der von ihm so gehassten deutschen Burschensc­haften hervorzuru­fen, schon gar nicht bei den freiheitli­chen Regierungs­mitglieder­n. Edel!

Aber was will man schon von einem Kaffeeröst­er!

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