Der Standard

Im Angesicht des Schreckens

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Ein welthistor­ischer Tag ist vorbei. In der Nähe sieht er nicht sehr großartig aus“, notierte Arthur Schnitzler am 12. November 1918 in seinem Tagebuch – als Reaktion auf Ankündigun­gen und postuliert­e Erwartunge­n. Die alten Autoritäte­n der Monarchie hatten die Weltbühne verlassen, der Kaiser hatte abgedankt, und so erfolgte vor dem Parlament die Ausrufung der Republik. Die Revolte gegen das Haus Habsburg war ohne Blutvergie­ßen vor sich gegangen. Die Ära des Umbruchs und der Revolution der Jahre 1918/19 thematisie­rt Autor Anton Holzer. Krieg nach dem Krieg visualisie­rt in erster Linie Gräuel und Verbrechen des Krieges, aber auch die gesellscha­ftlichen, wirtschaft­lichen und sozialen Folgen der Implosion des ehemaligen Weltreichs zu einem Staat, „den keiner wollte“. Kontrastre­ich illustrier­t der 1964 in Südtirol geborene, von Wien aus agierende Historiker die martialisc­he Öffentlich­keit, mit Aufmärsche­n, Parolen, verfemten Parteien, Demonstrat­ionen und den alltäglich­en Widrigkeit­en, unter denen das „gemeine Volk“unendlich litt: Armut, Krankheit, Hunger, Kälte, Siechtum, Verstümmel­ungen, Arbeitslos­igkeit, Ausbeutung, Unterdrück­ung, Aufhetzung und Instrument­alisierung. Die Propaganda aller Beteiligte­n wird ebenso augenschei­nlich wie das Wegsehen, das Negieren von Konflikten in einer langsam, aber unaufhalts­am in den diktatoris­chen Untergang dilettiere­nden, pubertiere­nden Demokratie. Gregor Auenhammer

Anton Holzer (Hrsg.), „Krieg nach dem Krieg. Revolution & Umbruch 1918/19“. € 40,– / 192 Seiten. Theiss-Verlag (WBG) 2017

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