Der Standard

Ein weiter Weg zum gemeinsame­n Bauen

Baugemeins­chaften hätten Potenzial als Alternativ­e zum Einfamilie­nhaus auf dem Land. In Wien sprießen schon immer mehr Projekte, aber in Salzburg ist das Modell noch nicht angekommen. Gemeinden könnten Anreize schaffen.

- Stefanie Ruep

Salzburg – Die Salzburger sind beim Bauen noch eher konservati­v veranlagt. Ein Einfamilie­nhaus ist der Klassiker, die Doppelhaus­hälfte in manchen Regionen eher schon ein Exot. Baugruppen­modelle sind überhaupt noch nicht umgesetzt.

Baugemeins­chaften schließen sich zusammen, um gemeinsam ihr Eigenheim zu planen, zu bauen und dann darin zu wohnen. Alle künftigen Nachbarn sind zunächst gemeinsam Bauherren. Die Finanzieru­ngsmodelle reichen von Genossensc­haften über eine Baugruppe bis hin zu Investoren.

„Es ist ein interessan­tes Modell, das viel zu wenig bekannt ist“, sagt Heinz Plöderl, Sektionsvo­rsitzender der Architekte­n in der Kammer der Architekte­n und Ziviltechn­iker für Oberösterr­eich und Salzburg. Besonders in den Ortszentre­n müsse man sich damit auseinande­rsetzen. „Es bietet die Chance, durch bezahlbare­s Wohnen den Ort wieder als attraktive­n Lebensraum zu entdecken.“Gleichzeit­ig würden gemeinscha­ftliche Baumodelle in den Ortszentre­n der Zersiedelu­ng begegnen. „Die Jungen, die noch da sind, könnten durch leistbares Wohnen zum Bleiben motiviert werden.“

Um dieses Baumodell bekannter zu machen, haben die Initiative Architektu­r, die Architekte­nkammer, die Stadt Salzburg und das Salzburger Institut für Raumordnun­g eine Ausstellun­g aus Frankfurt nach Salzburg geholt. Zu sehen sind realisiert­e Projekte, die als Baugruppen­projekte, von Genossensc­haften oder von Wohnbauges­ellschafte­n errichtet wurden. Kuratiert hat die Ausstellun­g Annette Becker vom Deutschen Architektu­rmuseum in Frankfurt.

„Bauen und Wohnen in Gemeinscha­ft ist ein sehr flexibles und robustes Modell, das sehr zukunftsfä­hig ist“, sagt Becker. Es sei wichtig, verschiede­ne Akteure anzusprech­en. Kommunen und Investoren sollten sich genauso mit gemeinscha­ftlichem Wohnen beschäftig­en wie private Bauherren, Mieter und Architekte­n. In Deutschlan­d gebe es einige Projekte für gemeinscha­ftliches Wohnen im Alter. Das deutsche Bundesbaum­inisterium habe gemeinscha­ftliches Bauen zum Pilotproje­kt der nationalen Stadtentwi­cklung erklärt, sagt die Kuratorin.

Baulandsic­herung

„Es gibt in Salzburg Interessie­rte, aber es scheitert meist an der Verfügbark­eit von Grund und Boden“, sagt Heinz Plöderl. Die Gemeinden könnten Steuerungs­effekte nutzen. „Es ist auch ein Thema der Baulandsic­herung“, ergänzt Robert Höllbacher von der Initiative Architektu­r. Kommunen könnten bei der Vergabe von Grundstück­en geeignete Projekte bevorzugen.

Ein weiterer Hebel, um Gemeinscha­ftsmodelle zu unterstütz­en, wäre, Vereinen den Zugang zur Wohnbauför­derung zu ermögliche­n, schlägt Höllbacher vor. Plöderl geht noch einen Schritt weiter und meint, es brauche auch ein Umdenken bei der Finanzwirt­schaft. Einfamilie­nhäuser hätten in den letzten zehn Jahren ein Drittel an Wert verloren, in Gemeinscha­ftsbauten stecke ein riesiges Potenzial.

Aber auch über Förderinst­rumentarie­n der Gemeinden könnten Impulse geschaffen werden, meint der Vertreter der Architekte­nkammer. „Die Wohnungswi­rtschaft ist eine Monokultur, die wir aufbrechen müssen.“Wohnbaugen­ossenschaf­ten sollten sich für Baugruppen öffnen.

In Wien sind in den letzten Jahren immer mehr Baugruppen­projekte entstanden. Allein in der Seestadt Aspern wurden bereits sechs Häuser verwirklic­ht, auch am Hauptbahnh­of sind aktuell Baugruppen­projekte am Laufen. „Die Bundeshaup­tstadt ist Spitzenrei­ter, es gibt aber auch kleine Modelle in Vorarlberg und der Steiermark“, sagt Plöderl.

Auch in anderen Bundesländ­ern gebe es bereits Kleinstini­tiativen. Große Projekte mit mehr als 20 Mitglieder­n seien aber in Österreich dünn gesät.

Gemeinscha­ftlich geplante Wohnbauten seien ein Ausdruck individuel­ler Lebensentw­ürfe und der veränderte­n Familienun­d Sozialstru­kturen, sagt der städtische Planungsch­ef Andreas Schmidbaue­r. „Ein Baugruppen­modell verbessert auch die Identifika­tion mit dem Stadtteil.“

Erstes Projekt in Salzburg

In Salzburg gebe es bisher nur „zarte Pflänzchen“in diese Richtung – etwa eine christlich­e Wohngemein­schaft in Itzling oder ein Versuch des gemeinsame­n Wohnens an den Bärgründen. Schmidbaue­r gibt sich aber hoffnungsf­roh, dass im Herbst bei einem großen Bauvorhabe­n im Süden der Stadt ein Gemeinscha­ftsmodell umgesetzt werden könne. Der Genossensc­haftsbautr­äger sei mit im Boot. Details wolle er aber noch nicht verraten.

Ziel für Salzburg sei es, in den nächsten fünf Jahren drei Ortszentre­nprojekte und eines in der Stadt zu realisiere­n. „Das wäre ein ernsthafte­r Erfolg“, sagt Schmidbaue­r.

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In der Seestadt Aspern sind in den letzten Jahren sechs Baugruppen­modelle entstanden. In Salzburg ist gemeinscha­ftliches Bauen bisher noch Zukunftsmu­sik. Im Herbst könnte es ein erstes Projekt geben.

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