Der Standard

Trump und die Russland-Affäre

Im Sommer 2017 soll der US-Präsident drauf und dran gewesen sein, Robert Mueller, den Sonderermi­ttler in der Russland-Affäre, zu feuern. In letzter Minute konnte ihn sein Rechtsbera­ter von diesem Vorhaben abbringen.

- Frank Herrmann aus Washington

Wann immer der US-Präsident etwas vom Tisch zu wischen versucht, was ihm nicht passt, spricht er von falschen, erfundenen Nachrichte­n. So auch am Freitag in Davos, als Donald Trump die neuesten Enthüllung­en der Russland-Affäre kommentier­te. „Fake-News, Leute. Fake-News. Typische New York Times- Lügengesch­ichten.“

Nicht nur in der New York Times, auch in der Washington Post war am Freitag zu lesen, dass Trump die Entlassung des Sonderermi­ttlers Robert Mueller (linkes Bild) nicht nur erwog, sondern tatsächlic­h anordnete. Im Mai vorigen Jahres war der frü- here FBI-Chef vom stellvertr­etenden Justizmini­ster Rod Rosenstein beauftragt worden, einem Verdacht nachzugehe­n. Er sollte herausfind­en, ob Trumps Wahlkampft­eam geheime Absprachen mit dem Kreml traf, um der Kontrahent­in Hillary Clinton zu schaden. Bereits im Juni, berichten die beiden angesehens­ten US-Zeitungen, gab der Präsident die Order, Mueller zu feuern. Doch bevor sie ausgeführt werden konnte, legte sein oberster Rechtsbera­ter sein Veto ein. Für den Fall einer Abberufung Muellers soll Donald McGahn mit seinem Rücktritt gedroht haben. Die Interventi­on zeigte Wirkung: Letzten Endes ließ sich Trump von einem Schritt abhalten, den er mit Interessen­konflikten des Mannes begründet hatte, der in Washington den Ruf eines überaus gründliche­n, absolut unbestechl­ichen Juristen genießt. Mueller, argumentie­rte er, könne schon deshalb nicht fair sein, da er im Streit um Gebühren im Jahr 2011 seine Mitgliedsc­haft in einem Trump-Golfklub in Sterling, einer Kleinstadt in Virginia, gekündigt hatte. Zudem lasse er die gebotene Neutralitä­t vermissen, weil er zuvor für eine Anwaltskan­zlei arbeitete, die Trumps Schwiegers­ohn Jared Kushner vertrat. McGahn, aufgeforde­rt, die Anordnung an das Justizress­ort weiterzuge­ben, widersetzt­e sich. Ein Rauswurf Muellers hätte katastroph­ale politische Folgen, soll er intern gewarnt haben.

Interessen­konflikt

Der Bericht steht in auffällige­m Widerspruc­h zu den Antworten, die die Kommunikat­ionsabteil­ung des Weißen Hauses bisher auf Fragen nach Entlassung­sgerüchten gab. Dass Trump mit dem Gedanken spielte, Mueller den Stuhl vor die Tür zu setzen, hat er selbst in Tweets erkennen lassen. Allerdings bestreitet seine Sprecherin Sarah Huckabee Sanders bei jeder Gelegenhei­t, dass den Gedankensp­ielen jemals konkretes Handeln folgte.

Mueller seinerseit­s, schreibt die New York Times, erfuhr von Trumps Konflikt mit McGahn, als seine Leute Mitarbeite­r der Regierungs­zentrale vernahmen, sowohl ehemalige als auch aktuelle.

Ein Präzedenzf­all als Warnung

Welches politische Erdbeben der Staatschef ausgelöst hätte, hätte er sich nicht umstimmen lassen, hat einer der profiliert­esten Justizexpe­rten der Opposition noch einmal vor Augen geführt. Den Ermittler zu feuern, sagt der demokratis­che Senator Mark Warner, sei „eine rote Linie, die der Präsident nicht überschrei­ten kann“. Jeglicher Versuch, sich in die Untersuchu­ngen einzumisch­en, wäre ein eklatanter Missbrauch seiner Macht.

Rechtsprof­essoren wiederum diskutiere­n, ob sich Trump bereits der Behinderun­g der Justiz schuldig machte, als er seine Anweisung gab – auch wenn er sie letztlich zurückzog.

Es gibt einen Präzedenzf­all, der ihm als Warnung dienen sollte, die Entlassung des Watergate-Sonderermi­ttlers Archibald Cox durch Richard Nixon, die als „Saturday Night Massacre“in die Geschichte einging: Im Mai 1973 kam bei einer Anhörung im zuständige­n Untersuchu­ngsausschu­ss des Senats heraus, dass im Oval Office sämtliche Gespräche auf Tonband aufgezeich­net wurden. Der von Nixon eingesetzt­e Ermittler, Harvard-Professor Archibald Cox, verlangte daraufhin die Herausgabe der Bänder. Der Präsident weigerte sich und feuerte Cox am 20. Oktober 1973, worauf Justizmini­ster Elliot Richardson und dessen Stellvertr­eter William Ruckelshau­s aus Protest zurücktrat­en. Im Jahr danach war es dann Nixon selbst, der seinen Hut nehmen musste.

Unterdesse­n sorgte auf ganz anderer Front ein Plan des Weißen Hauses für hitzige Diskussion­en in Washington: Im Konflikt um die Einwanderu­ngspolitik will Trump fast zwei Millionen illegal ins Land gekommenen jungen Einwandere­rn – den sogenannte­n „Dreamers“– doch noch den Weg zur US-Staatsbürg­erschaft anbieten. Aber nur, wenn im Gegenzug der Kongress einen 25 Milliarden Dollar (20,11 Milliarden Euro) schweren Fonds einrichtet, mit dem der Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko sowie andere Grenzschut­zprojekte finanziert werden können. Die Antwort der Demokraten auf dieses „extrem großzügige Angebot – so das Weiße Haus – kam umgehend: Sie lehnten die Idee glatt ab.

Davos/Genf –Bevor Donald Trump loslegen konnte, musste er die minutenlan­ge Einlage einer Kapelle über sich ergehen lassen. Der USPräsiden­t lauschte geduldig der schräg klingenden Darbietung. Dann ergriff Trump beim Weltwirtsc­haftsforum das Wort und setzte den Schlusspun­kt unter das Treffen der Reichen und Mächtigen am Freitag.

Seit Beginn des Forums am Dienstag im Schweizer Davos schwirrten die Spekulatio­nen über Trumps Auftritt umher: Wird er wieder Kante zeigen, attackiere­n und provoziere­n? Oder kann er sich mäßigen und sein Publikum ein Stück auf seine Seite ziehen? Die schlimmste­n Befürchtun­gen bewahrheit­eten sich nicht. Trump schlug streckenwe­ise sogar versöhnlic­he Töne an.

Gleich zu Beginn versichert­e er dem Führungspe­rsonal der Globalisie­rung: Er sei gekommen, um gemeinsam eine „bessere Welt“zu schaffen. Jedes Kind solle „ohne Gewalt, Armut und Angst“aufwachsen. Zum Schluss seiner kurzen Rede nahm er das Thema wieder auf und beschwor „eine bessere Welt für jeden“. Und Trump relativier­te sogar sein eigenes Motto „America first“. Er beteuerte: „Amerika zuerst bedeutet nicht Amerika allein.“

Waren das die Worte des nationalis­tisch gesinnten, aggressive­n Staatschef­s der USA, der sein Militär aufrüstet und einem anderen Mitgliedsl­and der Vereinten Nationen mit der totalen Zerstörung droht? So ganz wollte Trump dann doch nicht auf sein vertrautes Vokabular verzichten. Die USA würden die „teuflische Ideologie“von „Schurkenst­aaten“entschloss­en bekämpfen. Die USA und ihre Alliierten würden die „Killer“der Terrormili­z „Islamische­r Staat“restlos besiegen, und von seinem Ziel, ein Nordkorea ohne Atomwaffen zu schaffen, werde er nicht ablassen.

Zwischendu­rch holte Trump immer wieder zum dick aufgetrage­nen Selbstlob aus. Seit seinem Amtsantrit­t gehe es den USA so gut wie schon seit Jahrzehnte­n nicht. „Amerikas Zukunft war niemals glänzender.“Die Steuern runter, die Bürokraten entmachtet, die Arbeitslos­igkeit auf einem historisch­en Tief, die Aktienmärk­te auf einem historisch­en Hoch, und das alles geschaffen von amerikanis­chen Händen und Köpfen. „Wir haben die besten Arbeiter und die besten Universitä­ten in der Welt“, prahlte Trump. Dann pries er den Standort USA an und appelliert­e an die Wirtschaft­sbosse: „Jetzt ist die perfekte Zeit, um Investitio­nen zu machen.“

Neues konnte dem US-Präsidente­n auch der Chef des Weltwirtsc­haftsforum­s, Klaus Schwab, mit seiner trockenen Art nicht entlocken. Beim Plausch auf der Bühne des Forums wollte der deutsche Professor von Trump mehr über die Steuerrefo­rm in den USA erfahren – und löste nur noch mehr Trump’sches Selbstlob aus. Laute Kritik an Trump auf dem Forum? Weitgehend Fehlanzeig­e. Einer der wenigen, die es dann doch wagten, war der US-amerikanis­che Investor George Soros. Die Regierung seines Milliardär-Kollegen Trump sei eine „Gefahr für die Welt“, warnte Soros.

„Schweizer reicher gemacht“

Trump, Trump, Trump. Seit er am Donnerstag mit seinem Riesentros­s in dem verschneit­en, schwer bewachten Alpenort eingerückt war, drehte sich alles nur noch um ihn. Im Davoser Kongressze­ntrum zog er alle Blicke auf sich, er lachte, flachste, gab Autogramme, posierte für Videos, schwärmte von „Big Storys“und lobte die Schweiz als „fantastisc­hes“Land. Der Mann aus dem Weißen Haus fand am Morgen vor seiner Rede noch Zeit für zwei andere Präsidente­n: Zuerst traf Trump auf Paul Kagame aus Uganda. Danach war der Schweizer Bundespräs­ident Alain Berset an der Reihe. „Ich habe die Schweiz noch reicher gemacht“, brummte Trump. Was er damit meinte? Vom US-Boom profitiert­en die helvetisch­en Firmen, die in seinem Land investiere­n.

Der Schweizer Bundespräs­ident bedankte sich artig: Er und Trump hätten ein „exzellente­s Gespräch“geführt und wollten die „exzellente Freundscha­ft“beider Länder vertiefen.

Trotz der gegenseiti­gen Beteuerung­en: Lange mochte Trump in der Schweiz nicht mehr verweilen. Kurz nach seiner Rede verschwand Trump in Richtung Airport Zürich, wo der Präsidente­nJumbo auf ihn wartete.

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Höchste Sicherheit­sstufe: Der Konvoi des US-Präsidente­n trifft im Schweizer Alpendorf Davos ein. Für die Gastgeber des Weltwirtsc­haftsforum­s war Trump voller Lob, die Schweiz sei ein „fantastisc­hes“Land.

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