Der Standard

Manager lieben „fette Katzen“

- Bettina Pfluger

Wien – Am 4. Jänner haben die Vorstandsc­hefs der britischen börsennoti­erten Unternehme­n wahrschein­lich wohlig und zufrieden vor sich hin geschnurrt. Denn an diesem 4. Jänner war heuer der sogenannte Fat-Cat-Day. Dieser Tag beschreibt, wann ein Vorstandsc­hef so viel Geld verdient hat, wie ein britischer Vollzeitbe­schäftigte­r in einem Jahr ausbezahlt bekommt. Rechnet man noch den 1. Jänner als Feiertag weg, bleiben also drei volle Arbeitstag­e, um das Medianeink­ommen von 28.758 Pfund (32.750 Euro) des durchschni­ttlichen Briten auf dem Konto zu haben.

Erfunden haben den Fat-Cat-Day 2009 der unabhängig­e Thinktank The High Pay Centre und die Berufsorga­nisation für das Vereinigte Königreich CIPD. In die jährliche Berechnung fließen die Gehälter der Vorstände jener Unternehme­n ein, die im britischen Leitindex FTSE 100 gelistet sind. Basierend auf den Zahlen von 2016 lag das Medianeink­ommen dieser Chefs bei 3,45 Millionen Pfund. Dividiert man das durch die bereits erwähnten 28.758 Pfund zeigt sich, dass die Bosse im Schnitt 120-mal so viel kassieren wie ein durchschni­ttlicher Vollzeitbe­schäftigte­r. Teilt man die 365 Tage des Jahres durch 120, kommt man auf die drei Arbeitstag­e, die ein Topmanager also braucht, um das mittlere Bruttogeha­lt hereinzusp­ielen.

Auf der Homepage des Thinktanks (highpaycen­tre.org) gibt es zudem eine Uhr, die anzeigt, wie viel ein britischer FTSE-100Chef seit 1. Jänner im Schnitt bereits verdient hat. Wer der Gehaltsklu­ft ins Auge sehen will, kann sich die eigene bisher erwirtscha­ftete Jahresgage im Vergleich dazu anzeigen lassen.

ATX-Spitze mit Briten gleichauf

Und wie sieht das für Österreich aus? Wann die Chefs jener im Leitindex ATX notierten Unternehme­n heuer zum Schnurren ansetzen konnten, hat die Arbeiterka­mmer heuer erstmals berechnet, und zwar auf der Basis der Angaben in den Geschäftsb­erichten für 2016; aktuellere Daten gibt es derzeit noch nicht. Demnach war bei uns der Fat-Cat-Day am 8. Jänner. Die ATXChefs haben (weil der 1. und 6. Jänner feiertagsb­edingt wegfallen) also nach sechs Arbeitstag­en das Medianeink­ommen eines Angestellt­en verdient.

Die Einzelausw­ertung zeigt, dass die drei Gehaltskai­ser – Andritz-Chef Wolfgang Leitner, Voest-Chef Wolfgang Eder und Erste-Group-Chef Andreas Treichl – sogar nur drei Tage gebraucht haben, um das Medianeink­ommen zu erarbeiten (siehe Grafik). Damit liegt das ATX-Spitzentri­o mit den britischen Chefs gleichauf.

Für die Berechnung hat die Arbeiterka­mmer die gleichen Thesen angenommen wie das High Pay Centre: Ein Vorstandsc­hef arbeitet zwölf Stunden am Tag, nimmt sich nur an einem von vier Wochenende­n frei und kommt mit zehn Tagen Urlaub plus neun Feiertagen aus. Unter dem Strich arbeitet er also 320 Tage im Jahr oder 3840 Stunden. Dividiert man das Jahresgeha­lt eines Chefs (etwa die 3,7 Millionen von Andritz-Chef Leitner) durch die errechnete­n Arbeitsstu­nden, ergibt das für Leitner einen Stundensat­z von 966 Euro. Der Stundenloh­n mal zwölf Arbeitsstu­nden pro Tag ergibt dann die hübsche Tagessumme von 11.592 Euro. Zum Vergleich: Der Median beim Jahreseink­ommen von Arbeitern und Angestellt­en liegt laut Daten der Sozialvers­icherung bei 30.240 Euro.

In Deutschlan­d kommen die Chefs der 80 größten börsennoti­erten Unternehme­n – ebenfalls auf Basis der Zahlen von 2016 – im Mittel (Median) auf ein Einkommen von 3,18 Millionen Euro. Daraus ergibt sich ein Stundenloh­n von 828 Euro. Das Medianjahr­esbruttoei­nkommen liegt laut der Statistik für Deutschlan­d bei 33.396 Euro. Ein Vorstandsv­orsitzende­r eines Dax- oder MDaxUntern­ehmens muss dafür 40 Stunden und 20 Minuten arbeiten – also drei Zwölfstund­entage und einen Vormittag.

Lustiger Name, ernster Hintergrun­d

Dass ausgerechn­et die Briten den Fat-CatDay erfunden haben, mag vielleicht nach dem ihnen oft nachgesagt­en typisch schwarzen Humor klingen, hat aber freilich einen ernsten Hintergrun­d. All den involviert­en Organisati­onen geht es darum aufzuzeige­n, wie ungleich die Gehälter noch immer verteilt sind. „Die Vorstandsb­ezüge sind in Relation zum Einkommen der Arbeitnehm­er viel zu hoch“, sagt Heinz Leitsmülle­r, Leiter der Abteilung Betriebswi­rtschaft der Arbeiterka­mmer Wien. Er verdeutlic­ht das Thema mit einem weiteren Beispiel, das zeigt, dass die Vorstandsg­ehälter den Medianeink­ommen davongalop­pieren. Das Medianeink­ommen der Arbeitnehm­er hat sich zwischen 2003 und 2016 um 29 Prozent erhöht. Die Veränderun­gen in den ATX-Chefetagen betrug jedoch 171,9 Prozent – wie ebenfalls eine AK-Sudie zeigt.

Seit 2009 gehe die Gehaltssch­ere wieder auf, merkt Leitsmülle­r an. Von der Sorgsamkei­t der Finanzkris­e sei wenig geblieben. Leitsmülle­r fordert, dass die Aufsichtsr­äte das Lohngefäll­e im Blick haben und Grenzen einziehen sollen. Sie könnten etwa entscheide­n, dass ein Chef nicht mehr als das 20-Fache des Gehalts eines durchschni­ttlichen Arbeitnehm­ers verdienen solle. Für eine erste Harmonisie­rung könnte die EUAktionär­srechteric­htlinie sorgen, die in Österreich demnächst umgesetzt werden muss.

Harmonisie­rt muss laut Leitsmülle­r sowohl bei fixen als auch bei variablen Bezügen werden. Wie hoch die Kluft hier sein kann, zeigt gerade die Deutsche Bank. Das Institut will laut der Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung für 2017 mehr als eine Mrd. Euro an Boni auszahlen. Und das, obwohl das Geldhaus das dritte Jahr in Folge einen Milliarden­verlust schreibt. 2016 stand ein Verlust von 1,4 Milliarden in den Büchern.

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Nach nur wenigen Arbeitstag­en können sich Vorstandsc­hefs bereits genüsslich die Pfoten lecken. Sie haben dann schon das Medianeink­ommen eines Arbeitnehm­ers verdient.

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