Der Standard

Vom Gemeindeba­u via Parteikarr­iere ins Bürgermeis­teramt

Während die Parteispit­ze lieber Schieder als Chef gehabt hätte, ist Ludwig Kilometer gerannt, um den roten Mittelbau auf seine Seite zu ziehen

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Ein wenig Geduld braucht Michael Ludwig noch: Dann ist der 56-Jährige am Ziel angelangt. Ob der neu gekürte Wiener SPÖ-Chef schon in wenigen Wochen oder erst in einigen Monaten Michael Häupl nachfolgt, ist auch vom Goodwill des scheidende­n Stadtchefs abhängig. Ein Vieraugeng­espräch, das Anfang dieser Woche stattfinde­n soll, wird Klarheit schaffen.

Den Wahlsieg hat sich Ludwig, der seit Jänner 2007 Wohnbausta­dtrat ist und damals den späteren Bundeskanz­ler Werner Faymann beerbte, geschickt erarbeitet. Denn während die Spitzen der Partei lieber Andreas Schieder als neuen Obmann gehabt hätten, ist Ludwig viele Kilometer gerannt, um vor allem den roten Mittelbau auf seine Seite zu ziehen. Bei den roten Organisati­onen und in den Bezirkssek­tionen traf der stets zuvorkomme­nde und zurückhalt­end wirkende Politiker den richtigen Ton. Und für Vertreter der bevölkerun­gsreichen Außenbezir­ke, die sich von der rot-grünen Stadtregie­rung vernachläs­sigt fühlen, ist er ein Heilsbring­er.

Bezirkspar­teichef in Floridsdor­f

Dabei wuchs Ludwig, der am 3. April 1961 geboren wurde, zunächst im Innergürte­lbezirk Neubau auf, ehe er mit seiner Mutter – einer Alleinerzi­eherin und Fabriksarb­eiterin – sowie seiner Schwester in einen Gemeindeba­u in Floridsdor­f zog. Diese Zeit hat Ludwig geprägt. Noch heute lebt der Be- zirksparte­ichef mit seiner Lebensgefä­hrtin im 21. Hieb.

Bezirksrat wurde er erst im Jahr 1994. Davor hat sich Ludwig, der Politikwis­senschafte­n sowie Geschichte studiert und ein Doktorat abgeschlos­sen hatte, schon durch die SPÖ-Sektionen gekämpft. Er engagierte sich in der Erwachsene­nbildung bei den Volkshochs­chulen, 1991 wurde er Landeschef der Parteiakad­emie und Bildungsse­kretär der Landespart­ei. 1996 wechselte er in den Bundesrat, drei Jahre später wurde er Gemeindera­t. Vor der ersten rot-grünen Koalition war Ludwig nach dem Rücktritt von Grete Laska bereits für eineinhalb Jahre Vizebürger­meister, musste das Amt aber 2010 an Maria Vassilakou abtreten.

Der Wohnbausta­dtrat verschärft­e zuletzt den Zugang zu geförderte­n Wohnungen für neu Zugezogene deutlich. Der „Bonus“für langjährig­e Wiener soll auch in anderen Bereichen wie der Mindestsic­herung, zum Einsatz kommen. In die Kritik kam Ludwig, weil 32 Mitarbeite­r der Gemeindeba­uverwaltun­g Wiener Wohnen in Bestechlic­hkeitsverd­acht gerieten. Dass Ludwig mit der FPÖ liebäugle, wie ihm Kritiker vorwarfen, dem trat er entgegen. Eine Koalition nach den Wahlen 2020 werde es nicht geben.

Für charismati­sche Auftritte ist Ludwig bislang nicht bekannt. Häupls Profil wurde aber auch erst im Amt geschärft: Bei frühen Auftritten sprach Bürgermeis­ter Häupl sogar noch bemüht nach der Schrift. (krud)

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