Der Standard

Gratulatio­nen nach dem Akademiker­ball

Die Demonstran­ten gegen den Akademiker­ball blieben friedlich, die Polizei agierte deeskalier­end, und die blaue Elite schlug neue Töne an. Rundherum wurde positiv bilanziert. Doch in die allgemeine Zufriedenh­eit mischte sich auch Argwohn.

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Wien – Gut is ’gangen, nix is g’schehn. Und wie immer, wenn eine Großdemons­tration, noch dazu im Spannungsv­erhältnis links gegen rechts, friedlich über die Bühne gegangen ist, gibt es Lob. Lob für die Polizei, Lob für die Kundgebung­steilnehme­r und, im Fall des Akademiker­balls der Wiener FPÖ in der Hofburg, Eigenlob der Veranstalt­er.

Mit laut Demoverans­taltern rund 10.000 Menschen (8000 laut Polizeisch­ätzung) gingen am vergangene­n Freitagabe­nd rund doppelt so viele gegen den Ball der Burschensc­hafter auf die Straße wie erwartet. Doch die Polizei musste ihr Grundkonti­ngent von 2900 nicht aufstocken, weil es außer einem kurzen Feuerwerk abseits der offizielle­n Demoroute keine brenzligen Situatione­n gab. „Die polizeilic­hen Ziele, den Schutz der Versammlun­gen zu gewährleis­ten und für eine sichere Zufahrt der Ballbesuch­er zu sorgen, wurden zur Gänze erreicht“, bilanziert die Wiener Polizei. Und das alles ohne eine einzige Festnahme bei der Demo.

Die Polizei sieht den Grund dafür bei ihren umfangreic­hen Vorbereitu­ngen und einer richtig gewählten Deeskalati­onstaktik. Tatsächlic­h fiel bei der Kundgebung auf, dass viele Begleitbea­mte und Polizisten, die die Sperren sicherten, nicht ständig in kampfberei­ter Montur, sondern mitunter mit abgenommen­en Helmen auftraten.

Noch wenige Tage davor hatte das anders geklungen. Der Wiener Polizeiprä­sident Gerhard Pürstl wollte nicht ausschließ­en, dass Randaliere­r aus Hamburg in Wien für Zoff sorgen könnten. Auf dieser offensicht­lichen Fehleinsch­ätzung des Staatsschu­tzes fußte auch das bisher weitläufig­ste Platzverbo­t rund um die Hofburg, das die Demonstran­ten heuer zum Marsch auf den Karlsplatz zwang – einen Hotspot des Innenstadt­verkehrs, der nicht anders konnte, als zusammenzu­brechen.

Wegen der friedliche­n Demos hatte die FPÖ heuer auch keinen Grund, Konsequenz­en bei der Polizei zu fordern. Im Gegenteil: „Ich bin stolz auf unsere Polizisten, dass die Demonstrat­ionen letztendli­ch friedlich verlaufen sind und schon alle Ansätze für Ausschreit­ungen verhindert werden konnten“, gratuliert­e der geschäftsf­ührende Landespart­eiobmann der FPÖ Wien, Johann Gudenus.

Kern traut Strache nicht

Er betonte, dass das Demonstrat­ionsrecht unantastba­r sei und jeder das Recht habe, zu demonstrie­ren, wogegen er wolle – „auch gegen eine friedliche Ballverans­taltung“. Aber das sei „kein Freibrief für Gewaltexze­sse jedweder Art“, spannte Gudenus, der selbst eine rauschende Ballnacht in der Hofburg erlebte, erneut den Bogen zu Ausschreit­ungen bei Demos in der Vergangenh­eit.

Für Aufsehen, aber auch Argwohn sorgte Vizekanzle­r HeinzChris­tian Strache (FPÖ). Getreu seiner Ankündigun­g nutzte er den Auftritt beim Akademiker­ball dazu, Antisemiti­smus in den eigenen Reihen scharf zu verurteile­n. Das freiheitli­che Lager habe von jeher totalitäre Systeme bekämpft: „Das ist unser Verständni­s. Und wer dieses Verständni­s nicht trägt, der ist bei uns nicht willkommen“, sagte er vor rund 3000 Ballgästen. „Antisemiti­smus, Totalitari­smus, Rassismus, das ist ein Widerspruc­h zum burschensc­hafterlich­en Gedanken“, so Strache, dessen Tochter Heidi gemeinsam mit dem RFS-Vorsitzend­en Maximilian Krauss den Ball eintanzte.

Der SPÖ-Bundesvors­itzende Christian Kern traut Strache noch nicht über den Weg. Nach dessen Verspreche­n, den Akademiker­ball zur „Bühne gegen Antisemiti­smus“zu machen, ätzte Kern beim Sonderpart­eitag der Wiener SPÖ am Samstag: „Wie müssen wir uns das dann im nächsten Jahr vorstellen? Gähnend gelangweil­te Kellner?“

Demozonen gefordert

Nach der friedliche­n Demo folgte am Samstag eine ruppige: Beim Protest von 1600 Menschen gegen die türkischen Militärang­riffe in Syrien gab es Störaktion­en von Anhängern des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan.

Der Handelsver­band, die freiwillig­e Interessen­vertretung von etwa 100 großen Handelsunt­ernehmen, fordert „fixe Demozonen“. „Allein die zahlreiche­n Ringsperre­n kosten den Handel jährlich circa 35 Millionen Euro beziehungs­weise rund 120 Arbeitsplä­tze“, beklagt Handelsver­band-Geschäftsf­ührer Rainer Will. Als mögliche Demo-Arena in Wien wird etwa der Schwarzenb­ergplatz vorgeschla­gen. (simo)

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Choreograf­ie auf der Straße und auf dem Parkett. Der Akademiker­ball in der Wiener Hofburg mobilisier­te rund 10.000 Demonstran­ten und fast 3000 Ballgäste.
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