Prozess um Ehrenmord
Verwechslung bei Messerattacke, Opfer überlebte knapp
Wien – Ein 20-jähriger Bursch muss sich am kommenden Mittwoch wegen versuchten Mordes vor einem Wiener Schwurgericht verantworten, weil er laut Anklage einen früheren Schulfreund niederstechen wollte, um die Familienehre wiederherzustellen. Der junge Mann dürfte geglaubt haben, dass sein ehemaliger Freund eine Beziehung mit seiner Schwester pflegte. Opfer der Attacke wurde aber der jüngere Bruder seines Bekannten.
Der angeklagte Pizzabäcker lauerte am Morgen des 21. Oktober 2016 mit einem Springmesser dem gleichaltrigen jungen Mann vor dessen Wohnung in Favoriten auf. Als sich gegen sechs Uhr die Tür öffnete, attackierte er den Burschen, der zur Arbeit gehen wollte, bemerkte dabei aber nicht, dass es sich dabei um den jüngeren, erst 15 Jahre alten Bruder seines früheren Schulkameraden handelte. Der Angeklagte versetzte dem bei einem Baukonzern beschäftigten Lehrling sieben Stiche in die Brust, die Lunge, die Flanke und den rechten Oberarm. Erst als der Angegriffene um Hilfe schrie, dämmerte dem Täter sein Irrtum. Er ließ vom Opfer ab und ergriff die Flucht.
Der lebensgefährlich Verletzte schleppte sich zurück in die Wohnung, wo seine Eltern die Rettung verständigten. Eine mehrstündige Notoperation rettete dem 15- Jährigen das Leben. Auf die Spur des mutmaßlichen Täters kam man rund ein Jahr später – der entscheidende Hinweis, der zur Festnahme des 20-Jährigen führte, stammte aus dessen eigener Familie.
In der Verhandlung wird der Angeklagte nicht abstreiten, zugestochen zu haben. „Er ist tatsachengeständig“, kündigte Verteidiger Nikolaus Rast an. Allerdings könne sich sein Mandant an sonst nichts mehr erinnern: „Alles andere weiß er nicht mehr.“Der Angeklagte sei zum Tatzeitpunkt hochgradig alkoholisiert gewesen, habe 2,56 Promille intus gehabt, erläuterte Rast. Das von der Anklagebehörde kolportierte Motiv sei jedenfalls unrichtig: „Das Ganze hatte mit Ehre überhaupt nichts zu tun.“
Gutachter für Einweisung
Dem Pizzabäcker droht im Fall eines anklagekonformen Schuldspruchs neben einer Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Gerichtspsychiater Peter Hofmann hält ihn für derart gefährlich, dass er sich bei einer Verurteilung für den Maßnahmenvollzug ausspricht. Der Expertise zufolge ist der Angeklagte von einer schweren Persönlichkeitsstörung geprägt. Zum Tatzeitpunkt sei er aber zurechnungsfähig gewesen. (APA, red)