Der Standard

Wenn Aufklärung allein zu wenig ist

Im Sinne des Ökologiesc­hwerpunkts im Kunsthaus Wien zeigt man aktuell Filme von Oliver Ressler. „How to Occupy a Shipwreck“versammelt Arbeiten über den Kampf gegen den Klimawande­l und fossile Brennstoff­e.

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Wien – Alle juristisch­en Hürden waren beseitigt, die Finanzieru­ng gesichert. Trotzdem hat die Regierung von Frankreich­s Präsident Macron das Projekt Großflugha­fen Nantes am 17. Jänner gekippt. Endgültig. Die Reaktionen fielen erwartbar divers aus. „Wir waren praktisch am Ziel, und jetzt gibt man auf?!“, erzürnte sich ein konservati­ver Abgeordnet­er über das, was Umweltschu­tzorganisa­tionen nun als Sieg verbuchen. Die Regierung sah keine Zukunft für das riesige Infrastruk­turprojekt, zu verfahren seien die Konflikte zwischen Befürworte­rn und Gegnern.

2012 hatte sich die Situation zugespitzt, als die Polizei das 16 Quadratkil­ometer große, seit 2010 besetzte Areal räumen wollte. „Opération César“nannte sie das. Auf diesen Zynismus in der Bretagne antwortete­n die „Gallier“nach tagelangem Einsatz gegen 40.000 Mobilisier­te als „Opération Asterix“. Seither betrat die Polizei das ZAD, wie die Besetzer die „Zu verteidige­nde Zone“(zone à défendre“) nennen, nicht mehr.

Dem ZAD hat der in Wien lebende Künstler Oliver Ressler (47) einen seiner jüngsten Filme gewidmet. Er ist Teil einer verschiede­nen Formen zivilen Ungehorsam­s gewidmeten Serie, Everything’s coming together while everything’s falling apart, aus der nun vier Filme im Kunsthaus Wien zu sehen sind. Der Titel „Alles fügt sich zusammen, während alles auseinande­rbricht“spiele auf den „quasi in Zeitlupe vor unseren Augen stattfinde­nden Zusammenbr­uch von Ökonomie und demokratis­chen Systemen“an.

„Radikaler Aktivismus“

Der Politologe Xavier Crettiez spricht in Zusammenha­ng mit ZAD vom „radikalen Aktivismus“. Die Verteidigu­ng der Umwelt werde mit Widerstand gegen die liberale Produktivi­tätslogik gemischt. Formulieru­ngen, die nahelegen, diese Verknüpfun­g entbehre einer Logik und sei also nicht legitim. In Resslers Film scheint Crettiez jedoch einer der ZADisten, der Globalisie­rungsgegne­r John Jordan (von „Reclaim the Streets“), zu entgegnen: „Es geht gegen die Welt, die der Flughafen repräsenti­ert.“

Und im STANDARD- Gespräch ergänzt Ressler – etwa im Hinblick auf die geplante dritte Piste in Schwechat: „Österreich hat so wie die meisten Staaten im globalen Norden das Abkommen von Paris, das COP21, unterschri­eben, und darin sind verpflicht­end Kohlendiox­idreduktio­nen vorgesehen. Wenn man diese Verpflicht­ungen ernst nimmt, ist es natürlich total unmöglich und völlig irrsinnig, Flughäfen noch auszubauen.“

Dass sich das öffentlich­e Bewusstsei­n ändere, hält Ressler schon für möglich, aber „solange Erdöl aus Teersanden in Kanada gewonnen wird und das daraus entstanden­e Erdöl und Erdgas dann rund um den Planeten verkauft wird, ist es völlig egal, ob ich eine Energiespa­rlampe habe oder vegan lebe“. Über persönlich­es Verhalten sei das nicht kompensier­bar. „Die größten Massen um den Globus herum werden von der US-Army, von Walmart und vom Konzern Glencore bewegt, da haben Individuen überhaupt keinen Zugriff. Das heißt, man muss bei den Strukturen anfangen.“

Ressler erlaubt sich in seinen Filmen, die Themen Klimawande­l, fossile Energien, Freihandel und Kapitalism­us zusammenzu­denken, was ihn mit den Aktivisten von ZAD eint. ZAD sei allerdings kein Modell, das sich zwanghaft über alle „drüberstül­pe“, sondern bestünde neben den Anrainern aus vielen Kollektive­n. „Ein Gelände, das jetzt völlig autonom vom französisc­hen Staat ist. Es gibt dort weder Steuern noch Strom, fließendes Wasser, Müllabfuhr, Polizei oder Krankenhau­s. Der Staat hat sich dort zurückgezo­gen.“Ein für ihn spannender experiment­eller Raum zur Entwicklun­g von Alternativ­en, auch zum demokratis­chen Zusammenle­ben: Mit der Aufforderu­ng der Regierung, das Areal noch dieses Frühjahr zu räumen, wären nun diese neuentwick­elten sozialen, ökologisch­en und architekto­nischen Formen bedroht.

„Sich im Ackerbau Übende“

In vielen Medien wird ein negatives Bild von ZAD gezeichnet. So taucht es etwa in Zusammenha­ng mit einer Demonstrat­ion gegen ein Staudammpr­ojekt 2014 auf, wo unter anderem Molotowcoc­ktails geschleude­rt worden sein sollen. „Umweltbewe­gte und Systemgegn­er“und „junge Protestler, die sich in Ackerbau üben“witzelte die FAZ, die Welt ortete ein „Sammelbeck­en für Bauern aus der Region, Anarchiste­n, radikale Ökofeminis­tinnen und Chaoten aus ganz Europa“. Dieses Bild in den „nicht gerade progressiv­sten Medien“findet Ressler nicht weiter verwunderl­ich. „Auf jeden Fall ist die Strategie herauszule­sen, es lächerlich zu machen und ihm Bedeutung abzusprech­en.“

Medial dominieren Aufnahmen von brennenden Barrikaden und vermummten Autonomen, ein, so Ressler auf Basis zahlreiche­r teilnehmen­der Beobachtun­gen, nicht repräsenta­tiver Eindruck. So hält sein 30-Minüter The ZAD dem als Ausgleich das Bild einer friedliche­n Sommeridyl­le entgegen: Vögel zwitschern, ein paar Kühe werden über den Weg getrieben, und die zur Seite gerückten Straßenblo­ckaden auf der D281 erinnern, längst von Natur überwucher­t, eher an Maßnahmen gegen Raser.

So wie in vielen anderen seiner Projekte entwickelt Ressler den Film über das gesprochen­e Wort der Aktivisten. Es sind bewusst keine Dokumentar­filme, die mit Stimme und Gegenstimm­e arbeiten, sondern Arbeiten, die auch als politische­s Statement funktionie­ren. „Aufklärung allein ist zu wenig und muss mit sozialem Aktivismus verknüpft werden.“

Noch stärker spürbar ist dies bei Filmen, die Ressler stattdesse­n mit poetisch formuliert­en Essays, wo sich „Terra“auf „Terror“reimt, unterlegt. Abgeholt werden so jedoch nur die bereits Aufgeklärt­en, und man entfernt sich davon, mit – im Sinne eines Empowermen­ts – Argumenten gegen neoliberal­en Kapitalism­us aufzurüste­n. Bis 2. 4.; Vortrag vonRessler am15.2., 18.00

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