Der Standard

Vom Schüttelfr­ost des Begehrens

Premiere von „Entführung aus dem Serail“bei der Salzburger Mozartwoch­e

- Ljubiša Tošić

Salzburg – Grundsätzl­ich reizvoll, wenn für einen alten Stoff Tickets in die Gegenwart gebucht werden. Im Haus für Mozart fliegt die Entführung aus dem Serail auf dem Gedankente­ppich von Regisseuri­n Andrea Moses denn auch ins filmisch geprägte Milieu. Bassa Selim ist ein um seine Liebe und Berufsroll­e geprellter Regisseur geworden. Nun – in fernem Lande – sucht er am Filmset seine Kränkung in Szene zu setzen.

Er kommt dabei auch gerne eine Showtreppe herab – und solch ein Auftritt bietet sich an: Bassa Selims Behausung schwebt ja in den Wolken und trägt in sich orientalis­ches Dekor wie auch eine Bibliothek des europäisch­en Literaturg­uts (Bühne: Jan Pappelbaum). So strahlend der Filmmächti­ge zunächst erscheinen mag, so ohnmächtig wirkt er mit Fortdauer der Story.

Abermals hat sich sein Herz ein Objekt gesucht: Vergeblich umgarnt er die quirlige Konstanze (engagiert, aber eher schrill Robin Johannsen), wobei ihre Vertröstun­gen aller Art sichtlich Folterschm­erzen bereiten. Es krümmt sich der Playboy unter den Kolorature­n der begehrten Dame, gebeutelt wird sein Inneres vom Schüttelfr­ost des Begehrens.

Etwas verschwomm­en

All dies geschieht leider in einer eher verworrene­n Inszenieru­ng, die es nicht schafft, die Ebenen der neuen und der alten Handlung deutlich zu markieren. Außerdem wird Bassa Selim allzu viel emotionale Last aufgebürde­t. Bis ihn die finale Vergebung widerwilli­g überkommt und beide Pärchen erschöpft Richtung Glück entschwebe­n dürfen, muss Peter Lohmeyer (als Bassa Selim) zum einen reichlich pathetisch – auch platt aktualisie­rte – Texte deklamiere­n.

Zum anderen wechseln einander deftige Szenen der Zerknirsch­ung und der Aggression ab: Ob er auf die Tränendrüs­e drückt oder mit einer Pistole herumfucht­elt, ob er bedroht, droht oder am Ende Pässe in die Freiheit aushändigt – es plagt die Hauptfigur und damit das Ganze immer etwas Vordergrün­diges. Um diese Gefühlsübe­rdosis herum: Klamauk und die Unterforde­rung der durch das Bühnenbild eröffneten Möglichkei­ten. Sebastian Kohlhepp (klangvoll als Belmonte), Nikola Hillebrand (delikat als Blonde), Julian Pregardien (als guter Pedrillo) und David Steffens (als so- lider Osmin) sind gewisserma­ßen engagiert agierende Gefangene einer recht platten Komödianti­k. Die tragischen Ausbrüche Bassa Selims wollen auch dazu nicht wirklich passen.

Die Musik trägt

Immerhin trägt hier die Musik: Dirigent René Jacobs sorgt mit der Akademie für Alte Musik Berlin für präsenten, reichen Klang, dessen kleine intonatori­sche Unpässlich­keiten nicht ins Gewicht fallen. Es ist Tiefe gleicherma­ßen im Spiel wie Poesie. Und wenn die Sprechpass­agen vom improvisie­renden Hammerklav­ier aus mit Einwürfen (unter anderem Türkischer Marsch) versorgt werden, ist auch Lockerheit zugegen. Eine gute Regieidee jedoch überhob sich hier an ihrer Umsetzung.

30. 1. und 2. 2., Haus für Mozart, 19.30

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