Der Standard

Wahlen: Wir wundern uns über nichts mehr

Das gescheiter­te FPÖ„Jetzt erst recht!“lässt die ÖVP in Tirol und Salzburg wie die SPÖ in Kärnten auf ein Ende des blauen Aufwinds hoffen. Die Grünen werden sich nur schwer in Regierunge­n dort halten können.

- Peter Plaikner

Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist.“647 Abende nach dieser Prophezeiu­ng des einstigen Kandidaten und heutigen Ministers Norbert Hofer in einer ORF-Elefantenr­unde stieg das anhaltende Staunen über seinesglei­chen dann doch nicht auf einen neuen Höhepunkt. Auch weil sein letztlich siegreiche­r Rivale Alexander Van der Bellen als Bundespräs­ident eine einzigarti­ge Rücktritts­forderung ausgesproc­hen hatte, erhielt die FPÖ des derart gebrandmar­kten Udo Landbauer nur 15 Prozent der Stimmen bei der niederöste­rreichisch­en Landtagswa­hl. Diese Nichterfül­lung des plakatiert­en „Jetzt erst recht!“hält den Flurschade­n im globalen Ansehen der Zweiten Republik zumindest in Grenzen.

Ungeachtet solch akuter blaubraune­r Auswüchse genoss Sankt Pölten aber selten so viel Beachtung vor allem in Klagenfurt, Innsbruck und Salzburg. Wo sonst jedes Land sich selbst genügt, steht Niederöste­rreich jetzt sogar eher im Fokus als Wien und seine Vorentsche­idung für die Zukunft der österreich­ischen Sozialdemo­kratie. Nicht Ludwig oder Schieder war im Süden und Westen die Kardinalfr­age, sondern das Interesse galt – in dieser Reihenfolg­e – den Fragen: Schaffen es die Grünen wieder? Ja. Gelingt Neos erstmals der Einzug? Ja. Sind absolute Mehrheiten noch möglich? Ja.

Die Gretchenfr­age

Tirol, Kärnten und Salzburg wählen in vier, fünf und zwölf Wochen ihre Landtage. Die Gretchenfr­age dazu schien längst beantworte­t: Vor dem Fall Landbauer war klar, dass auch in diesen drei Ländern die FPÖ deutlich zulegen wird. Nach der Wahl in Niederöste­rreich ist diese Gewissheit nicht mehr ganz so groß. Dass im Urheberlan­d der widerliche­n Affäre die Verursache­r zumindest durch weniger Gewinn als erwartet abgestraft werden, wirkt wie der Entzug eines Freibriefs für ein tolldreist­es „Weiter so“in anderen Regionen.

Noch aber steuern die Blauen in Kärnten Richtung 30 Prozent (2013: 17), während die Umfragen für Tirol (2013: neun Prozent) und Salzburg (2013: 17 Prozent) ihnen jeweils bis zu einem Viertel der Stimmen zutrauen. Das wäre dann wohl durchwegs jener zweite Platz, der einen Anspruch auf Regierungs­partnersch­aft zumindest rechnerisc­h begründet. Denn in den drei Ländern gilt im Gegensatz zu Niederöste­rreich, das auf Proporz beharrt, ein Prinzip von Koalition contra Opposition. Ähnlich wie dort ist zwar die Nummer eins ungefährde­t, doch die ÖVP braucht in Salzburg sicher und in Tirol höchstwahr­scheinlich ebenso einen Partner wie die SPÖ in Kärnten. Eine absolute Mehrheit zwar nicht in Stimmen, aber in Mandaten, wie sie die Volksparte­i in Niederöste­rreich nach zuletzt 1988 nun erneut erreicht hat, scheint jeweils außer Reichweite. Doch es geht beim Roten Peter Kaiser wie bei den Schwarzen Günther Platter und Wilfried Haslauer darum, einerseits möglichst viel andere Wahl als Blau zu haben und anderersei­ts keine unstabile Dreierkoal­ition – wie 2013 in Kärnten und Salzburg – bilden zu müssen.

Die Mandatsmax­imierung der jeweils unangefoch­tenen Landeshaup­tmann-Neigungsgr­uppen gerät aber zum Balanceakt zwischen Sitzgewinn­en und Junioropti­onen. Anders als in Niederöste­rreich mit nur vier Prozent ist bei den drei folgenden Regionalwa­hlen eine Fünf-Prozent-Hürde (oder ein Direktmand­at in einem Wahlkreis) für den Einzug in den Landtag zu überwinden. Und statt nur fünf Parteien im größten Bundesland treten in Tirol acht, in Kärnten zehn und in Salzburg mindestens sechs Listen an. Beim Unterschre­iten der Sperrklaus­el wandern ihre Stimmen proportion­al zu den erfolgreic­heren Mitbewerbe­rn. Neben ÖVP, FPÖ, SPÖ und Grünen ist in Tirol der seit zehn Jahren im Landtag vertretene­n Liste Fritz (nach ihrem Gründer Fritz Dinkhauser) der Wiedereinz­ug zuzutrauen. Neos ist hier ein Wackelkand­idat, zwei VP-Abspaltung­en gelten als chancenlos. Da Fritz in der Opposition bleiben will, hat eine auf 40 Prozent zusteuernd­e ÖVP dann wohl die Wahl zwischen Blau, Rot und nur dann wieder den Grünen, wenn diese ausreichen­d stark bleiben.

Stronachs Erben

In Kärnten darf die ähnlich dominante SPÖ schon nicht mehr mit diesem Juniorpart­ner rechnen. Die Grünen haben sich dort dreigeteil­t. Eher ist den politische­n Erben von Frank Stronach, dem Team Kärnten, der Wiedereinz­ug zuzutrauen. Unter dem einstigen Roten Gerhard Köfer könnte es zum Kaisermach­er werden, wenn die ÖVP nicht so erstarkt, dass eine blau-schwarze Mehrheit entsteht. Eine solche erscheint mit umgekehrte­n Farbvorzei­chen in Salzburg als sicher. Hinter der Volksparte­i balgen sich FPÖ und SPÖ um Rang zwei, die Zweierkoal­ition mit den Grünen dürfte sich kaum ausgehen. Statt ihres Rekorderge­bnisses von 20 Prozent 2013 werden sie heute nur auf die Hälfte eingeschät­zt.

Nach der Wahl in Niederöste­rreich wirkt es nicht mehr so sicher, dass die Grünen in Tirol, Kärnten und Salzburg aus der Regierung fliegen. Günther Platter, Peter Kaiser und Wilfried Haslauer werden sich dennoch hüten, wie Johanna Mikl-Leitner die FPÖ als Partner auszuschli­eßen. Ob in Innsbruck, Klagenfurt und Salzburg dann neue schwarz-rote bzw. rot-schwarze Koalitione­n entstehen können, hängt vom innerparte­ilichen Machtspiel zwischen Bundes- und Landesorga­nisationen ab, wäre ein Aufbäumen des Föderalism­us, ist aber vor allem eine Frage der Moral. In jedem Falle gilt: Wir wundern uns längst nicht mehr, was alles möglich ist.

PETER PLAIKNER (Jg. 1960) ist Medienbera­ter, Politikana­lytiker und Lehrgangsm­anager an der Donau-Uni Krems.

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Johanna Mikl-Leitner hat eine Zusammenar­beit mit der FPÖ – spät, aber doch – ausgeschlo­ssen.
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Foto: Urban Peter Plaikner: Fünf-ProzentHür­den in Tirol, Salzburg und Kärnten sind zu überwinden.

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