Der Standard

Extreme Normalität

- Gerald Schubert

Kein Zweifel: Miloš Zeman ist, gemessen an den Ergebnisse­n demokratis­cher Wahlen, der erfolgreic­hste tschechisc­he Politiker seit der Wende des Jahres 1989. Er ist es, der einst die Sozialdemo­kratie groß gemacht und in die Regierungs­verantwort­ung geführt hat. Und er ist es auch, der vor fünf Jahren der erste direkt gewählte Präsident in der Geschichte des Landes wurde – und nun eine zweite Amtszeit antreten darf.

Die häufige Kritik an seiner kratzbürst­igen und bisweilen vulgären Rhetorik ist gewiss berechtigt. Sie beschreibt aber nur die eine Seite des Instinktpo­litikers Zeman. Die andere Seite: Zeman ist einer, der wie kein anderer Stimmungen im Land aufspüren und für sich nutzen kann. Er fährt hinaus in die Regionen, ist stets gut vorbereite­t, kennt sich aus mit den Problemen vor Ort. Sein erneuter Wahlsieg, Krönung einer langen politische­n Karriere, ist auch das Ergebnis harter Arbeit – und seines beispiello­sen Talents, auch nach der Trennung von den Sozialdemo­kraten als Einzelgäng­er durch die politische Landschaft Tschechien­s zu tingeln.

Allerdings, und hier greift der Populismus­vorwurf allemal, liegt der Schatten von Halbwahrhe­iten und erfundenen Bedrohungs­szenarien über seinen beiden Präsidents­chaftswahl­kämpfen. Vor fünf Jahren drängte er Ex-Außenminis­ter Karl Schwarzenb­erg in die Defensive, indem er ihn zum Anwalt sudetendeu­tscher Interessen stilisiert­e. Diesmal waren es einmal mehr die Flüchtling­e, die zur Stimmenmax­imierung eines Machtmensc­hen herhalten mussten: Wenige Tage vor der Wahl wurde Zemans Gegenkandi­dat Jiří Drahoš als Gefährder präsentier­t, der massenweis­e Migranten ins Land holen wolle. Dass auch Drahoš beteuerte, gegen Asylquoten zu sein, ging im Trubel unter.

Außenpolit­isch wird Zeman häufig seine Nähe zu Russland und China vorgeworfe­n. Diese besteht zwar tatsächlic­h, doch bekennt sich Zeman auch zur Mitgliedsc­haft in EU und Nato. Seine Siegesrede am Samstag ließ viele aber aus einem anderen Grund frösteln: Neben Zeman standen der amtierende Chef der zerstritte­nen Sozialdemo­kraten und der Chef einer rechtsextr­emen Partei – zweifellos ein Signal für die derzeit laufende Regierungs­bildung.

Unter den Kommuniste­n hat Zeman ohnehin jede Menge Fans. Auch das nämlich ist sein Talent: die Vereinnahm­ung der politische­n Ränder. Bisher hat das geholfen, die Extremiste­n im Land zu neutralisi­eren. Nun aber besteht die Gefahr, dass die Extreme zur Normalität werden.

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