Der Standard

Schlussrun­de in Berlin

Am Wochenende soll die große Koalition in Berlin stehen, dann geht es ans Ämterverte­ilen. Da dürfte sich in der SPD eine neue Schwierigk­eit auftun. Die Alphatiere Schulz und Gabriel wollen dasselbe Ressort.

- Birgit Baumann aus Berlin

Angela Merkel und Martin Schulz besprechen am Wochenende die noch offenen Punkte – dann soll die große Koalition stehen.

Es soll, nach vielen Gesprächen, der vorerst letzte Kraftakt sein. An diesem Wochenende wollen die Verhandler von Union und SPD die große Koalition in trockene Tücher bringen. Allerdings sind zur Sicherheit in Berlin auch noch einige Hotelzimme­r bis zum Dienstag reserviert – falls doch noch mehr Gespräche nötig sind als geplant.

„Wir haben noch eine Menge an Verhandlun­gsbedarf und werden hart verhandeln. Wir stehen unter keinem Zeitdruck“, verkündete SPD-Chef Martin Schulz vor der letzten Runde. Auch Kanzlerin Angela Merkel räumte ein, dass es nach wie vor eine „Reihe ernster Dissenspun­kte“gebe.

So war am Freitagnac­hmittag noch keine Einigung in der Gesundheit­spolitik in Sicht. Die SPD war mit dem Anspruch angetreten, Arzthonora­re für Kassen- und Privatpati­enten anzugleich­en. Eine Bürgervers­icherung hatte sie nicht durchgebra­cht. Ebenfalls bis zum Schluss umstritten war die sogenannte „sachgrundl­ose“Befristung von Arbeitsver­trägen. Diese abzuschaff­en ist seit Jahren ein Anliegen der SPD.

In der Schlusspha­se geht es nun nicht mehr „nur“um die Inhalte, sondern auch um Posten. Offiziell gibt es dazu natürlich noch keine Informatio­nen. Doch es sickert so mancher Wunsch durch, und einer davon könnte in der SPD für ziemlichen Zoff sorgen.

Der Spiegel hat den geschäftsf­ührenden Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) gefragt, ob er eigentlich sein Amt behalten wolle.

„Eine sehr große Ehre“

Dessen Antwort: „In solchen internatio­nal verwirrend­en Zeiten seinem Land als Außenminis­ter dienen zu können, ist natürlich ungeheuer spannend und auch eine sehr große Ehre. Und es wäre ja seltsam, wenn man das nicht gerne weitermach­en würde.“

Das darf durchaus als Kampfan- sage an Schulz verstanden werden. Der nämlich strebt ebenfalls an die Spitze des Außenamtes und soll gegenüber mehreren Mitglieder­n der SPD-Spitze bereits erklärt haben, dass er nicht bereit sei, auf einen Posten im Kabinett zu verzichten. Nach der Wahl allerdings hatte Schulz jedoch zunächst verkündet, er werde sicher nicht unter Merkel Minister.

Gabriel und Schulz galten einmal als dicke Freunde in der SPD. Doch mittlerwei­le ist das Verhältnis angespannt. Schulz ist von Gabriels vielen Wortmeldun­gen genervt, Gabriel wiederum findet, Schulz habe die Chance zum SPD-Wahlsieg komplett verspielt und lässt ihn das spüren.

Für beide wäre im Kabinett natürlich Platz, wenn die SPD bei der Postenvert­eilung gut abräumt – Gabriel bliebe Außenminis­ter, Schulz nimmt die Finanzen. Doch da wird die Union nicht mitmachen. Merkel, so ist zu hören, will ihren Vertrauten, Kanzleramt­s- chef Peter Altmaier (CDU), an der Spitze des Prestigere­ssorts belassen. Er führt das Finanzmini­sterium kommissari­sch seit Wolfgang Schäuble (CDU) im Oktober zum Präsidente­n des Bundestage­s gewählt worden ist.

Signale des Aufbruchs

Ungern aufgeben möchte die Union auch das Innenresso­rt, hier könnte Thomas de Maizière (CDU) bleiben. Eigentlich hatte die CSU Ansprüche angemeldet, aber es ist ihr nun nicht mehr so wichtig, da eine Obergrenze für Flüchtling­e ja schon festgelegt wurde (180.000 bis 220.000 pro Jahr).

CSU-Chef Horst Seehofer soll mit dem Arbeits- und Sozialmini­sterium liebäugeln. Das Problem dabei: Er ist weder weiblich noch ein frisches Gesicht. Merkel aber braucht Signale des Aufbruchs. Daher wird Annette WidmannMau­z (51), derzeit Staatssekr­etärin im Gesundheit­sministeri­um, immer wieder als Ministerin ge- nannt. Auch das Verkehrsre­ssort könnte eine Frau übernehmen: die CSU-Politikeri­n Dorothee Bär.

Apropos Verkehr: Union und SPD haben sich bereits auf eine aufwendige­re Motornachr­üstung auch von älteren Dieseln verständig­t. Zudem soll die Umstellung auf Elektroaut­os beschleuni­gt werden. Auch in anderen Bereichen gibt es schon Konsens. So soll das Rentennive­au (Verhältnis zum Lohn) bis 2025 nicht unter 48 Prozent fallen und der Beitragssa­tz für die Pensionsve­rsicherung nicht über 20 Prozent steigen. Selbststän­dige sollen zur Altersvors­orge verpflicht­et werden.

Zudem plant die Koalition mehr Geld für Pflege ein, sei es für neues Personal oder in Form von besserer Unterstütz­ung für pflegende Angehörige. Doch man darf nicht vergessen: Auch wenn es nun eine finale Einigung gibt, es müssen dem Gesamtpake­t noch rund 440.000 SPD-Mitglieder zustimmen. Dann erst ist GroKo.

 ??  ?? Martin Schulz und Angela Merkel besprechen an diesem Wochenende die letzten offenen Punkte am Weg zur GroKo.
Martin Schulz und Angela Merkel besprechen an diesem Wochenende die letzten offenen Punkte am Weg zur GroKo.

Newspapers in German

Newspapers from Austria