Schieflage der Mitbestimmung von Frauen im Parlament
Seit 1919 sind Frauen im Parlament vertreten, doch erst ab den 1980er-Jahren stieg ihr Anteil signifikant
Wien – Vergangenen Sonntag wurde Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) als niederösterreichische Landeshauptfrau mit absoluter Mehrheit bestätigt. Vor ihrem Amtsantritt im April 2017 schafften es in Österreich erst zwei Frauen an die Spitze einer Landesregierung: Waltraud Klasnic (ÖVP) war von 1996 bis 2005 Landeshauptfrau der Steiermark. Von 2004 bis 2013 stand Gabi Burgstaller (SPÖ) der Salzburger Landesregierung vor.
„Wir haben in Österreich keine Tradition weiblicher Spitzenkandidatinnen in der Politik“, erklärt Rechtsphilosophin Elisabeth Holzleithner. Unter einem führenden Politiker stelle man sich immer noch eher einen Mann vor. Die Wahl von Mikl-Leitner zeige jedoch: „Wenn es eine gut aufgestellte Kandidatin gibt, dann können Frauen genauso erfolgreich sein wie Männer. Und damit eine Kandidatin gut aufgestellt ist, muss die Partei dahinter sein.“
Ausschluss selbstverständlich
Es waren die ersten Wahlen der Republik Österreich: Die am 16. Februar 1919 bestimmte konstituierende Nationalversammlung beinhaltete ein österreichisches Novum. Es war das erste von Frauen und Männern in freier und gleicher Wahl berufene Parlament. Und erstmals durften nicht nur alle Frauen an die Urne treten, sondern sich auch selbst zur Wahl aufstellen.
Das aktive Frauenwahlrecht war in der Habsburgermonarchie für Steuerzahlerinnen und teilweise Angehörige der Intelligenzberufe ab 1849 in den meisten Gemeindeordnungen verankert, ab 1861 in den Landtagswahlordnungen. Niederösterreich entzog 1888 den steuerzahlenden Frauen das aktive Landtagswahlrecht wieder.
„Die einfachste Art, Gleichförmigkeit herzustellen, war nun, dass man überall Frauen das Wahlrecht entzog“, sagt Ilse Reiter-Zatloukal von der Uni Wien. Vom passiven Wahlrecht waren Frauen entweder „explizit ausgenommen oder aber ihr Ausschluss galt als derart selbstverständlich, dass er in der Wahlordnung erst gar nicht erwähnt wurde“, so ReiterZatloukal. 1908 kandidierten deshalb Karla Máchová und Marie Tůmová bei den böhmischen Landtagswahlen, woraufhin die Wählbarkeit 1912 explizit auf Männer beschränkt wurde.
1918 wurde Frauen auch das allgemeine passive Wahlrecht gewährt. 1919 zogen die ersten acht Frauen in den Nationalrat ein.
Damit ging das politische Mitgestalten einher. „Es ging nicht nur um den Vorgang des Wählens, sondern auch um den des Gewähltwerdens“, sagt Holzleithner. Allerdings blieb es bis in die 1980er-Jahre bei einer Handvoll weiblicher Abgeordneter. „Das Recht, gewählt zu werden, setzt sich nicht von selbst um. Dafür braucht es Frauen an wählbarer Stelle.“
Die verheirateten Nationalrätinnen waren zudem in einer „absurden Situation“, erzählt Holzleithner. Sie waren aufgrund des bis in die 1970er-Jahre geltenden Ehe- und Familienrechts keine vollwertigen Rechtssubjekte: Der Mann war das Haupt der Familie, die Frau musste ihm an seinen Wohnsitz folgen und sich an seine Verfügungen halten. Er konnte ihr die Erwerbsarbeit verbieten. Trotzdem beschlossen Frauen Gesetze mit. Eine „arge Schieflage“, sagt Holzleithner.
Erst durch die zweite Frauenbewegung mit den Reformen der 1970er-Jahre, kam die Wende. Und doch dauerte es bis 1986, ehe der Frauenanteil im Nationalrat erstmals über zehn Prozent lag. „Die Zeiten haben sich seit damals radikal gewandelt. Mit den 1970ern begann eine große Bewusstseinsänderung“, sagt Holzleithner. Vorher waren die „Parteien fast reine Männerbünde. Selbst die SPÖ, eine Vorreiterin des Frauenwahlrechts, hat die Beteiligung von Frauen lange nicht entsprechend forciert“. Mit den Grünen, die ebenfalls 1986 in das Parlament eingezogen sind, kam ein frischer und weiblicher Wind.
Verändert habe sich durch die Beteiligung von Frauen im Parlament einiges. „Dadurch, dass sie tendenziell andere Lebenserfahrungen haben, haben sie auch andere Perspektiven“, sagt Holzleithner. So hätten Frauen bestimmte Themen im Nationalrat stärker forciert. Ende der 1980erJahre wäre etwa die Reform des Strafrechts, als Vergewaltigung in der Ehe kriminalisiert wurde, ohne Frauen nicht möglich gewesen. Als die Novelle im Parlament diskutiert wurde, hätten manche Parlamentarier regelrecht „höhnisch“argumentiert. Ein Jahr später herrschte „ein völlig anderer Ton“. So hätten „weibliche Kolleginnen damals Überzeugungsarbeit geleistet“. Auch die erste Quotenregelung für den Öffentlichen Dienst im Jahr 1993 hätte es ohne einen signifikanten Frauenanteil nicht gegeben, meint Holzleithner.
Halbe-halbe als Vorsatz
Seither steigt der Frauenanteil im Parlament – mit einem kleinen Einbruch zwischen 2002 und 2008. Momentan hat der Nationalrat einen Höchstwert von 34,4 Prozent weiblichen Abgeordneten. Für die SPÖ ist das nicht genug. Sie will den Frauenanteil im Parlament auf zumindest 35 Prozent heben, mit einer stufenweisen Anpassung bis hin zu halbe-halbe. Bei Nichterfüllung soll es Strafen geben. Die SPÖ-Frauen sind mit ihren Forderungen nicht allein. Auch Dorothea Schittenhelm (ÖVP) sprach sich bereits vergangenes Jahr für eine Quote aus. Allerdings wollte die ÖVP Belohnungen statt Sanktionen.