Wie „America first“die Steueroasen anzapft
Im Ausland gebunkertes Cash der Konzerne fließt in die USA – Ob Aktionäre oder Beschäftigte profitieren, ist noch unklar
Wien – Mit der kurz vor Weihnachten finalisierten Steuerreform hat Donald Trump viel Kritik geerntet. Entlastung für Reiche und Konzerne, Giftpfeile auf Obamacare und ähnliche Vorwürfe musste sich der US-Präsident gefallen lassen. Bei einem anderen Punkt der Entlastung hat das Weiße Haus mehr Fürsprecher. Mit einem reduzierten Steuersatz können Konzerne das im Ausland gebunkerte Vermögen in die USA verschieben. Trump erwartet sich davon einen Investitionsschub.
Sieht man sich die involvierten Zahlen an, wird die Tragweite der potenziellen Repatriierungen ersichtlich. Annähernd drei Billionen Dollar (2,4 Billionen Euro) ha- ben US-Unternehmen im Ausland liegen. Internationale Unternehmensgewinne wurden meist offshore gepoolt, um der US-Steuer zu entgehen, die bei einem Transfer zum Stammsitz der Konzerne mit 35 Prozent angefallen wäre.
Wie sehr große Gesellschaften die Abgabe meiden, illustriert am besten Apple. Der IT-Gigant sitzt zwar auf dem riesigen Cash-Polster von rund 250 Milliarden Dollar und ist somit der Konzern mit der größten Auslandskasse, der iPhone-Hersteller nahm aber dennoch zur Bezahlung von Dividenden und anderer Ausgaben Schulden auf. Ausschüttungen an Aktionäre beispielsweise fallen in den USA an, und zu Hause stehen dem Unternehmen die in Steueroasen geparkten Mittel nicht zur Verfügung. In der Liste der größten Cash-Horter im Ausland rangieren hinter Apple weitere TechRiesen. Microsoft, Cisco und die Google-Mutter Alphabet folgen. Die insgesamt fast drei Billionen Dollar entsprechen annähernd dem Siebenfachen der österreichischen Wirtschaftsleistung.
Gute Prognosen
Im Kongress wurde beschlossen, dass diese Gelder zum ermäßigten Satz zwischen acht und 15,5 Prozent in die USA transferiert werden können – je nachdem, wie flüssig die Vermögen sind. Die Konzerne nehmen das Geschenk dankend an, auch wenn der fiskale Einmaleffekt kurzfristig das Ergebnis trübt. Würden sie die Gelder weiter offshore halten, fällt nun auch eine Sondersteuer an, wodurch ein zusätzlicher Anreiz zur Repatriierung der Mittel geschaffen wurde.
Die Gretchenfrage ist jetzt, was mit dem Geld nach der Übersiedlung in die USA passiert. Geht Trumps Wunsch in Erfüllung, wonach die frischen Mittel eine Investitionswelle auslösen?
Ja, glaubt beispielsweise der renommierte Ökonom Martin Feldstein von der Harvard University, der gesamtwirtschaftlich positive Effekte erwartet: „Der vermehrte Kapitalfluss in den Unternehmenssektor wird die Produktivität und die Reallöhne steigen lassen.“Der österreichische Steuerexperte Gottfried Schellmann teilt diese Ansicht. Er spricht von massiven Produktionsverschiebungen in die USA. Dafür sei nicht nur die Steuerreform, sondern auch die protektionistische Handelspolitik verantwortlich, erläutert der Fachmann. Wenn der Import in die USA durch Zölle und nichttarifäre Barrieren verteuert wird, kann sich die Erzeugung in den Vereinigten Staaten leichter auszahlen, die bisher in Billiglohnländern durchgeführt wurde.
Allerdings bestätigen die jüngsten Ankündigungen gerade aus dem Tech-Sektor die Hoffnungen nicht. Auch die Ratingagentur Moody’s rechnet nicht mit zusätzlichen Investitionen. Mit dem heimgeholten Geld würden eher eigene Aktien gekauft oder Dividenden ausgeschüttet. Profitieren würde dann nicht die Realwirtschaft, sondern das Finanzkapital.