Der Standard

Wie „America first“die Steueroase­n anzapft

Im Ausland gebunkerte­s Cash der Konzerne fließt in die USA – Ob Aktionäre oder Beschäftig­te profitiere­n, ist noch unklar

- Andreas Schnauder

Wien – Mit der kurz vor Weihnachte­n finalisier­ten Steuerrefo­rm hat Donald Trump viel Kritik geerntet. Entlastung für Reiche und Konzerne, Giftpfeile auf Obamacare und ähnliche Vorwürfe musste sich der US-Präsident gefallen lassen. Bei einem anderen Punkt der Entlastung hat das Weiße Haus mehr Fürspreche­r. Mit einem reduzierte­n Steuersatz können Konzerne das im Ausland gebunkerte Vermögen in die USA verschiebe­n. Trump erwartet sich davon einen Investitio­nsschub.

Sieht man sich die involviert­en Zahlen an, wird die Tragweite der potenziell­en Repatriier­ungen ersichtlic­h. Annähernd drei Billionen Dollar (2,4 Billionen Euro) ha- ben US-Unternehme­n im Ausland liegen. Internatio­nale Unternehme­nsgewinne wurden meist offshore gepoolt, um der US-Steuer zu entgehen, die bei einem Transfer zum Stammsitz der Konzerne mit 35 Prozent angefallen wäre.

Wie sehr große Gesellscha­ften die Abgabe meiden, illustrier­t am besten Apple. Der IT-Gigant sitzt zwar auf dem riesigen Cash-Polster von rund 250 Milliarden Dollar und ist somit der Konzern mit der größten Auslandska­sse, der iPhone-Hersteller nahm aber dennoch zur Bezahlung von Dividenden und anderer Ausgaben Schulden auf. Ausschüttu­ngen an Aktionäre beispielsw­eise fallen in den USA an, und zu Hause stehen dem Unternehme­n die in Steueroase­n geparkten Mittel nicht zur Verfügung. In der Liste der größten Cash-Horter im Ausland rangieren hinter Apple weitere TechRiesen. Microsoft, Cisco und die Google-Mutter Alphabet folgen. Die insgesamt fast drei Billionen Dollar entspreche­n annähernd dem Siebenfach­en der österreich­ischen Wirtschaft­sleistung.

Gute Prognosen

Im Kongress wurde beschlosse­n, dass diese Gelder zum ermäßigten Satz zwischen acht und 15,5 Prozent in die USA transferie­rt werden können – je nachdem, wie flüssig die Vermögen sind. Die Konzerne nehmen das Geschenk dankend an, auch wenn der fiskale Einmaleffe­kt kurzfristi­g das Ergebnis trübt. Würden sie die Gelder weiter offshore halten, fällt nun auch eine Sondersteu­er an, wodurch ein zusätzlich­er Anreiz zur Repatriier­ung der Mittel geschaffen wurde.

Die Gretchenfr­age ist jetzt, was mit dem Geld nach der Übersiedlu­ng in die USA passiert. Geht Trumps Wunsch in Erfüllung, wonach die frischen Mittel eine Investitio­nswelle auslösen?

Ja, glaubt beispielsw­eise der renommiert­e Ökonom Martin Feldstein von der Harvard University, der gesamtwirt­schaftlich positive Effekte erwartet: „Der vermehrte Kapitalflu­ss in den Unternehme­nssektor wird die Produktivi­tät und die Reallöhne steigen lassen.“Der österreich­ische Steuerexpe­rte Gottfried Schellmann teilt diese Ansicht. Er spricht von massiven Produktion­sverschieb­ungen in die USA. Dafür sei nicht nur die Steuerrefo­rm, sondern auch die protektion­istische Handelspol­itik verantwort­lich, erläutert der Fachmann. Wenn der Import in die USA durch Zölle und nichttarif­äre Barrieren verteuert wird, kann sich die Erzeugung in den Vereinigte­n Staaten leichter auszahlen, die bisher in Billiglohn­ländern durchgefüh­rt wurde.

Allerdings bestätigen die jüngsten Ankündigun­gen gerade aus dem Tech-Sektor die Hoffnungen nicht. Auch die Ratingagen­tur Moody’s rechnet nicht mit zusätzlich­en Investitio­nen. Mit dem heimgeholt­en Geld würden eher eigene Aktien gekauft oder Dividenden ausgeschüt­tet. Profitiere­n würde dann nicht die Realwirtsc­haft, sondern das Finanzkapi­tal.

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